Beim Betrachten der Werke von Alexandra Marati machen wir uns, aus dem Chaos
ausgehend, auf den Weg eines konzeptuellen Kunstabenteuers zu schwebenden,
bürgerlichen Welten mit eigenartigen Geschöpfen und deren persönlichen
Obsessionen.
Die kreative Auseinandersetzung bei der Entstehung der Werke entwickelt als
Grundlage ein ausgeprägtes theoretisches Fundament in Form langjähriger
Recherche sowie vielfältiger Untersuchungen des eigenen künstlerischen
Sprachidioms. Die Arbeiten verweisen oftmals auf einen sozialen,
ökologischen, philosophischen und politischen Hintergrund, wobei auch Fragen
der Identität sowie der Rekonstruierung von Macht und Ordnung gestellt
werden. Die Künstlerin kommt einer psychoanalytischen Heraus¬forderung nach,
indem sie mit Symbolen und Assoziationen schwebende und vieldeutige
Argumente heraussucht, ausgestattet mit dem Kanon gegenwärtigen Verhaltens.
Wir verfolgen unmittelbar den durchdachten, inhaltsreichen Kommentar
gegenüber Mechanismen, den Aufbau von Methoden einer katastrophalen
Autorität, Macht und Kontrolle auf das Reale sowie das Irreale, eine Anklage
gegenüber der passiven Akzeptanz der Zerstörung, wobei eine soziale
Unsicherheit ohne Beschönigungen oder Analgetika aufgedeckt wird.
Bereits die Verwendung von Spray-Lack verweist auf Praktiken der
Straßenkultur, auf künstlerische Revolte und Widerstand, wie sie der „street
art“ eigen ist, wobei der Gebrauch von starken, exaltierten Farben, vor
allem eines verseuchenden Grüns, trotz seiner aquarellistischen Verwendung,
entspannend wirkt und die bevorstehende Katastrophe ankündigt.
Figuren und Objekte, dargestellt in harten, offensiven Formen, erinnern an
Science-Fiction-Filme. Diese Figuren und Objekte ersticken im Rahmen ihrer
verseuchten Leinwand oder vom Gewicht voluminöser Plakatfarben, die schwer
auf ihnen lasten. Oft spielt der Raum eine zentrale Rolle bei der Gestaltung
und Aufteilung der Malfläche sowie auch bei der Struktur des Narrativen.
Fenster – metaphysische Entfliehungsöffnungen – im Raum¬zusammenhang mit den
menschlichen Gestalten, eingefügt inmitten eines eigenartigen theatralischen
Dämmerlichtes, verleihen eine Schrecknuance.
Die Geschöpfe von Marati, auf der verzweifelten Suche, sich von der Masse zu
lösen und sich selbst zu bestimmen, sind Alltagsleute mit einer Miene von
Bitterkeit, von Unzufriedenheit, Gestalten eines Sisyphus-Kampfes in einer
Welt, die nur irrationale Lebenskräfte gutzuheißen vermag.
Ihre Werke gleichen einer Chimäre und präsentieren ein persönliches Zeichen
gegen einen alltäglichen Gefühlsbetrug.
Sie wenden sich gegen die herrschenden, unvermeidlichen Relationen zwischen
Passivität und Aggressivität, gegen Unterwerfung und Gewaltherrschaft in
einer Umwelt der ewig präsenten Zwangssituationen, die jegliche
Selbstachtung auslöschen und unverfälschte Kommunikation zerstören. Sozial
akzeptables menschliches Verhalten erlahmt und der Mensch wird in eine
Bestie oder einen Idioten verwandelt.
Die Ignoranz soll durch einen starken, erstickenden Geistesprozess und eine
Unruhe für die infizierenden Attacken gegen die negative Lebensseite, oder
gegen den Menschen selbst, bezwungen werden.
Durch den vorgenommenen Einblick sollen die Werke den Menschen, momentan und
quasi unbeachtet, in die reelle Existenz des Sichselbst zurückbringen, gegen
die Routine und die monotone Vorhersagbarkeit, gegen die zum Schein nur
untergrabende Utopie, wie sie sich im Kopf des ideologisierten und
historifizierten westlichen Geistes entwickelt.
Unmittelbar ist hier die Rede über das Abenteuer eines Gedankens, der sich
an das kollektive Gewissen und Gedächtnis wendet, indem er darstellt,
anklagt, andeutet, kommentiert, sich sarkastisch ausdrückt mit einem
recherchierten spielerischen Gemüt und einem stummen, ironischen Lachen.
Die Künstlerin, eine ausbrechende (explodierte) Abtrünnige, drückt die
Grobheit der Gesellschaft und ihre oberflächlich unbeschwerte Position vor
der Selbstzerstörung aus, die das Weiterleben unserer persönlichen
Freiheiten und unserer Jugendvisionen verurteilen.
Maria Kenanidou,
Kunsthistorikerin
Die Bearbeitung der deutschen Übersetzung
von Manfred Chobot
die in Thessaloniki lebende Künstlerin studierte 1994-2000 bei Prof. Christian Ludwig Attersee
Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft der Griechischen Botschaft
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