"Hinter jedem Gesicht versteckt
sich Gott",
Gedichte und Filmmontagen von Karl Anton Fleck erschienen.
Kern 80 Seiten, Auflage 200 Stk., nummeriert,
Umschlag im Handsiebdruck 2-färbig, Preis 22,- Euro,
erhältlich in der Galerie Chobot, 1010 Wien, Domgasse 6
oder Bestellungen unter chobot@utanet.at
"Schiebt nicht alle Eure Bilder der Kunst in die
Schuhe"
Karl Anton Fleck
"Das Porträt ist heutzutage verkommen, die Zeichner vernachlässigen
das Porträt völlig." Irgendwann sagte Karl Anton Fleck diesen
Satz. "Ich weiß nicht, warum meine Kollegen diesen Bereich nicht wahrnehmen.
Man kann das Porträt nicht ausschließlich den Fotografen überlassen." Karl
Anton Fleck war mit der Kunstgeschichte vertraut. "Ein Porträt sollte
tiefer eindringen, als bloß die Oberfläche darstellen. Die Kunst kennt
eine andere Dimension, in diesem Punkt ist sie der Fotografie überlegen." Diesen
Beweis trat er an.
alle paar augenblicke tritt KAF einen schritt von
der staffelei zurück,
auf der das brett mit dem zeichenpapier lehnt, weitet seine augen so, daß das
weiße sichtbar wird, oder aber legt seine stirn in kritische denkerfalten
und begutachtet sein werk. wir erzählen von ereignissen der letzten woche,
jeden dienstag zur gewohnten zeit. wir trinken bier. wir betrachten die soeben
entstandene zeichnung.
wenn wir eine woche später die zeichnung wieder betrachten,
ist sie verändert, weitergearbeitet, manchmal in den folgenden wochen wieder
und wieder. wenn der portraitierte z.b. friert und sich in sich zusammenzieht,
sieht man das auch auf dem porträt, man sieht charakteristische handhaltungen
/ körperstellungen. trotz fehlender fotografischer ähnlichkeit sind
die dargestellten wieder-erkennbar. &
wieder schneidet KAF einen streifen des zeichenpapiers ab, etwa 5 zentimeter
ist das zeichenblatt zu lang für die üblichen rahmen, also wundern
wir uns weshalb die normformate von papier und rahmen nicht identisch sind.
&
wieder klebt KAF das blatt mit tixo auf die holzplatte & wieder stellt KAF
die holzplatte auf die staffelei & wieder sucht KAF einen neuen standort
für die staffelei, trägt sie umher, probiert & schimpft über
die ungünstigen lichtverhältnisse.
Bevor KAF den ersten Strich setzte, wischte er Grafitstaub über das Blatt,
verteilte ihn beharrlich mit einem weichen Lappen. "Das ist der Ton, damit
das Blatt lebendig wird." Allzu weißes Papier war ihm zu steril. Damit
konnte er nichts anfangen. Und er begann bedächtig. Immer wieder der prüfende
Abstand des Auges zum gespannten Papier auf der Staffelei, fixiert auf einer
Holzplatte als Unterlage. Gemeinsam begutachteten wir das entstandene Blatt.
Ein guter Grund für einen Schluck. Der Doppelliter Rotwein gestattete es,
mit einem weiteren Bildnis zu beginnen.
Immer wieder Hände und Finger. KAF zeichnete Hände in allen Stellungen,
Hände und Finger als Symbole, Hände in eindeutigen und zweideutigen
Gesten. Die Sexualität hat in Karls Kunst stets ihren Ausdruck gefunden.
Unter der Oberfläche brodelte es still vor sich hin. "Hände sagen sehr viel über einen Menschen aus", sagte Karl. "Mit
Händen kannst du einen Menschen charakterisieren, ohne sein Gesicht zu kennen.
Eine Hand ist wie eine Visitkarte." Wie "Fußnoten" sind
Hände in Karls Arbeiten präsent. "Die Form und die Stellung einer
Hand trifft eine entscheidende Aussage über den Charakter. Und du kannst
mit Händen spielen." Dieses Spiel schätzte Karl überaus.
Um sich selbst zu verleugnen, schlüpft man in
eine andere Haut: Man nimmt eine andere Identität an. Das kann
Spaß machen - oder Schmerz
bereiten. Für Karl war es wohl beides gleichzeitig.
In dem Infragestellen der eigenen Persönlichkeit, in dem Wunsch, seine
Identität
zu verlassen und sich selbst zu verleugnen, verbarg sich eine existentielle
Sinnsuche: Sich in die Enge treiben, vor sich selbst davonlaufen auf dem
Weg nach einem
anderen Ich. So sind seine Selbstbildnisse keineswegs die Manifestation einer
Eitelkeit, sondern vielmehr Zeugnisse des Bestrebens, die eigene Persönlichkeit
auszulöschen oder zu verstümmeln. Ein Mensch auf der Suche nach
einem anderen Ich.
Manfred Chobot |