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Karin Pliem, Christy Astuy

Die zeitlich gedehnte Explosion


GALERIE JUDITH WALKER
  30.04. - 17.06.2012

 

 

 


Vernissage: am Sonntag, dem 29. April 2012, um 11:00 Uhr



In der Ausstellung Die zeitlich gedehnte Explosion kommen zwei Malerinnen zur Sprache, die unterschiedlich formulierte Antworten auf die ihnen gemeinsame Suche nach einer neuartig-aktuellen Darstellung des klassischen Themas „Natur- und Menschenbild“ gefunden haben. Karin Pliem und Christy Astuy instrumentieren dabei Emotionalität ebenso wie sie auf eine „wohltemperierte“ Bild-Form Wert legen. Mit virtuoser Malerei generieren sie je provozierende Stellungnahmen zur Frage der Differenz zwischen Natur und Zivilisation.

„Blumen sind schön und harmlos. Aber diese Formen! Diese Farben! Diese zeitlich gedehnte Explosion! […] Die Frage ist, wie man Blumenbilder interessanter gestalten könnte […], um ihre Schönheit zu beschneiden, sie etwas weniger harmlos zu machen.“
So wie die hier zitierte Christy Astuy arbeitet auch Karin Pliem an Möglichkeiten der malerisch-künstlerischen Neuformulierung eines Hauptthemas der Kunst aus dem Bereich der klassischen Gattungen Stillleben, Naturstück und Landschaft. Die Arbeit an diesem Vorhaben zeitigt bei beiden Künstlerinnen unterschiedliche Resultate, und doch finden sich auf dem Weg zu ihren je individuellen Antworten etliche Gemeinsamkeiten: Zuvorderst „verfremden“ Karin Pliem wie auch Christy Astuy das äußere Wirklichkeitsbild von (Natur-)Gegenständen, indem sie diese in ungewohnte bis „unlogisch“ erscheinende Verbindungen oder Umgebungen versetzen. Beide Künstlerinnen bedienen sich hierfür verschiedener Fundstücke sowohl aus dem Welt-Archiv der Kunst- und Natur-Bilder als auch aus dem Archiv ihrer je persönlichen Beobachtungen und Erlebnisse. Und: weder Pliem noch Astuy transformieren dieses „Material“ dabei bis zur undechiffrierbaren Abstraktion – viel eher verleihen sie dem physischen Erscheinungsbild des Gegenstandes besondere psychisch-emotionale Dimensionen. Und nicht zuletzt geht es beiden bei jedem Bild ganz zentral um die Schaffung einer in sich schlüssigen, künstlerisch homogenen, letztlich „perfekten“ Bildaussage – deren Konzeption sie bereits im Kopf haben, bevor sie sich an die Ausführung begeben, zu deren Vollendung sie jeweils größte Zeitaufwände aufzubringen bereit sind.

Karin Pliems Malerei ist im Strich offen, farbintensiv, nicht selten „expressiv“ – ihre Sujets, die sie auf Reisen durch die reale Welt und mittels Studiums illustrierter Naturbücher sammelt, setzt sie auf zuvor flüchtig-flüssig geworfene, landschaftsartige Hintergründe, um sie dort mit- und gegeneinander korrespondieren zu lassen: tropische Pflanzen treffen sich hier mit alpinen Blütenkelchen ebenso wie Korallen sich mit Köpfen von Süßwasserfischen oder Seeanemonen mit Samenkapseln von Wüstengewächsen verknüpfen. Mit malerischer Verve und interpretatorischer Freizügigkeit lässt Karin Pliem diese gegensätzlichen, weil eben aus unterschiedlichsten Regionen und Lebensbedingungen stammenden Naturalien zu einem Ganzen verwachsen: „Gegensätze verflechten sich miteinander, lösen sich ineinander auf, sind eins“, sagt die Künstlerin auf ihrer Suche nach jener „Mitte“, in der selbst die heterogensten Dinge der Welt einen gemeinsamen Nenner, einen ursächlichen Zusammenhang bilden, welchen sie sogar im Konflikt zwischen Natur und Zivilisation zu orten vermag.
Die Galerie Walker zeigt in den Räumen des Obergeschosses seit 2010/11 entstandene Ölbilder der aus Salzburg stammenden und in Wien lebenden Karin Pliem. Gegenüber ihren hier zuletzt gezeigten Arbeiten (2009) treibt die Künstlerin ihre einzelnen Natur-Elemente zugunsten einer alles verbindenden, fließenden Dynamik jetzt formal und farblich oft knapp an die Grenze ihrer Identifizierbarkeit.

Christy Astuys Malerei hingegen ist im Detail stets sachlich-präzis und hat zugleich Qualitäten altmeisterlicher Feinmalerei, die ihr Studium kunsthistorischer Größen von Velasquez bis Manet bekunden. Aus der Kunstgeschichte bezieht sie vor allem aber etliche ihrer Sujet-Details – von „idealen Landschaften“ der niederländisch-romanistischen Schule (z.B. als Hintergründe) bis zu klassisch-modernen Mensch- und Naturformulierungen etwa Pablo Picassos oder Francis Picabias. Mittels ihrer speziellen Kunst der Kombinatorik generiert sie unter Verwendung solcher Versatzstücke aus der Kulturgeschichte höchst aktuelle, weil die Befindlichkeit des Individuums in unserer Zeit thematisierende „Erzählungen“, die zugleich stets das Bruchstückhafte von Welterkennungs und -erfahrungsmöglichkeiten (etwa im Sinne von William Burroughs‘ cut up-Technik) reflektieren. Astuy inszeniert in ihrer Malerei eine höchst komplexe Welt der Verspannungen zwischen den Zeiten, ihrer jeweiligen Semiotik und allen kontrovers erscheinenden „Logiken“ vom kartesianischen Weltbild bis zur subjektiv-emotional bestimmten Sicht des Ichs. Zuletzt gilt für sie ein gemeinsamer Nenner, den sie folgendermaßen beschreibt: „But, at least in this empirical world, we’re still dealing with the same material. Not the same ideas, but the same forms. Ideas more or less come and go. Form is everything.“
Die aus den USA stammende, seit den 1980er-Jahren in Wien lebende Christy Astuy zeigt erstmals im Schloss Ebenau neueste Öl-auf-Leinwand-Bilder sowie eine Auswahl ihrer zeichnerischen Arbeiten.

(Lucas Gehrmann, 2012)