Fritz Wotruba über Andreas Urteil
Andreas Urteil war noch keine zwanzig Jahre alt, als er mich
aufsuchte, und er war damals sehr jung, um sehr vieles jünger, als
ich im gleichen Alter war. Er war kindlich, wahrscheinlich war er
unverdorben, und ich glaube, das ist er bis zum Schluss geblieben.
In den vielen Jahren, die Andreas mit mir verbracht hat, sind seine
Eigenschaften ungetrübt und offen hervorgetreten. Er war wie das
wohltemperierte Klavier, ruhig, unerschütterlich, warm und voll
Sympathien den Menschen und Dingen gegenüber; um Tiere zu
erkennen, zu betrachten und zu verstehen, war er noch nicht alt
genug.
Ich weiß nicht mehr, wann es gewesen ist, dass zwischen ihm und
mir das Phänomen einer Verbindung entstanden ist, die mit
Freundschaft nicht richtig benannt ist, diese Sympathie war mehr als
Freundschaft zwischen einem jungen Burschen und einem Mann,
und als ich sie gespürt habe, konnte ich mich nicht ohne Angst an
ihr erfreuen, ich habe tief innen immer gewusst, dass ein solcher
Freund nicht bleibt, seine Intensität, seine Schönheit vergehen so
schnell wie eine Blume verwelkt.
Der Block des Todes, zu dem die Verluste eines menschlichen
Lebens werden, ist zäh, und er wird, je älter man selbst wird, desto
zäher; und das Ungeheure ist, dass die Kräfte aller Vorherigen, wenn
sie gut und rein waren, dazu da sind, die eigenen Kräfte zu stärken
im Widerstand gegen den Tod.
Das Leben und die Kunst profitieren von einem unmessbaren
dampfenden und stinkenden Schlachthof.
Aus: Otto Breicha: Andreas Urteil. Monographie mit einem Werksverzeichnis der
Plastiken, Zeichnungen, Aquarelle und der Druckgraphik. Wien/München 1970. |
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