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Franco Kappl

The Devil’s Dancehole


Galerie Ulysses
 04.10. - 02.12.2007

Vernissage: am Mittwoch, den 3. Oktober 2007, um 19.00 Uhr


FLASH BACK – PAINTING FORWARD

Franco Kappls aktuelle Bilder zeugen von einem Richtungswandel, einer neuen Initialzündung in seiner malerischen Entwicklung. Er verglich es ein wenig mit rockigen Tönen, die auf eine sanfte, leicht lyrische Grundstimmung treffen – Expressive Wucht mit malerischer Sensibilität im Dialog. Der Künstler hat grafische Fährten im schmutzigen Weiß auf die rauchig erdigen Farbebenen geschleudert, wie kreischend rockige Beats mit sonorigem Bass im Hintergrund, voller Elan: Eine Zelebrierung der Geste, einen Hymnus auf die »Malerpranke«. Bereits 1991 schrieb der Maler: »Die Entscheidung für die Kunst lässt sich am ehesten aus der Sehnsucht nach Freiraum, den sie bietet, aus der Lust auf höchst originelle und authentische Positionen in diesem Freiraum erklären. Die gestisch-abstrakte Malerei erscheint mir als die beste Kombination aus manueller Arbeit, gestalterischem Erfindungsdrang, sowie saftigen Materialschlachten und der absurden Situation, sich mit dem Problem beschäftigen zu können, die man selbst erst konstruieren muss.« Zu dieser Zeit sind Kappls Schwarz-Weißbilder mit abstrakt expressionistischen »Teint« entstanden: Materialschlachten, Aktionsmalerei, Graffiti, Informel. Kappls damalige Kunst war zeitlich im Kontext der Neuen Malerei der 80er eingebettet, er stand sozusagen in direkter Nachfolge ihrer Heroen, wie Schnabel, Basquiat, Oehlen. Kappl faszinierten vor allem die deutschen Neuen Wilden, wie Rainer Fetting und Albert Oehlen, und weniger die Österreicher. Was ihn jedoch von den meisten Positionen dieser neo-expressionistischen Malerei unterschied, war seine Absage an das Figurative, Symbolische, »Imagelastige« und Erzählerische. Kappl wollte mehr Freiraum für die Malerei per se. Das weit verbreitete Zitatenspiel, die alltäglichen Sujets und Images verstellten ihm den Blick auf das Wesen des Tafelbildes. Arbeitsprozess mit Körperbezug und Perfektionierung der malerischen Textur galten für Kappl als entscheidende Kriterien. In dieser Beziehung war er der Haltung der Protagonisten des Abstrakten Expressionismus wie Pollock, Kline und de Kooning, recht nahe. In der postmodernen Einstellung des „Anything goes“ sah Kappl hingegen Beliebigkeit und Verschwommenheit anstelle von Geradlinigkeit und Authentizität.

Wir schreiben das Jahr 2007. Die 80er-Malerei ist bereits Geschichte; die Tornados der brachialen Geste scheinen heute auf der Landkarte der Malerei verschwunden zu sein. Und dennoch gibt es sie vereinzelt, wie vor allem Cy Twomblys ausladende Schleifen im pastos saftigen Rot, oder Christopher Wools breite graue Pinselstriche. Sachlichkeit und Konzeptionalität haben emotionale Heftigkeit und Selbstausdruck abgelöst: Fotorealistische Figuration mit altmeisterlicher Disziplin und diskursfähige medienübergreifende sozialkritische Projekte statt auktorialer malerischer Würfe. Die Künstler, die sich damals den malerischen Materialschlachten hingaben (in Österreich etwa Hubert Scheibl, und Herbert Brandl), wurden ab den frühen 1990er Jahren in ihrem Gestus moderater, ihre Gemälde zurückhaltender, minimalistischer, manchmal sogar meditativer. Ihre glatte Oberfläche, ihre verwischten Farbflächen suggerieren Tiefenillusionismus, feinsinnige nuancierte Farbabstimmungen und malerische Sensibilität.

Hinzu kam eine neu gewonnene Diskursfähigkeit des Tafelbildes, indem es mit den Neuen Medien kommunizierte: Richter führte bereits in den 1960er Jahren die »Verschwisterung« von Malerei und Fotografie ein, zahlreiche verwandte Beiträger jüngerer Künstler folgten. Mancherorts vernimmt man die Behauptung, dass eben durch den Bezug zu den aktuellen Medien das Tafelbild neue Dimensionen und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung gewinnen könne. Damit ist auch die abstrakte Malerei gemeint. Innerhalb ihrer vier Ecken sei sie ausgelaugt, zu Neuem nicht mehr fähig, hatte zu viele Tode erlitten. Vielmehr noch: Fotografie oder Video eignen sich piktorale Kriterien an und sind die gefeierten Tafelbilder von heute, wie etwa Andreas Gurskys erhabene All-Over-Fotografien der Formel-Eins-Rennstrecke von Bahrain, die den abstrakt expressionistischen Schleifenbildern von Pollock ähnlich scheinen: Fotografie als abstraktes Gemälde mit sublimer Monumentalität.

Dass aber nicht immer nur das Neue, Angesagte und der Zeitgeist den Stil und das Konzept eines Künstlers bestimmten müssen, haben in der Malereigeschichte einige Beispiele bewiesen. Da trat stets der Maler als Einzelgänger auf, abseits der avantgardistischen Dogmen und modischen Vorschreibungen. Willem de Koonings malerischer Beitrag in den 1970er Jahren wurde als anachronistisch und altmeisterlich kritisiert, seine künstlerische Meisterschaft war für die Journalisten und Kunsttheoretiker sekundär. Heute werden de Koonings abstrakte Landschaftsbilder mit bravouröser Geste und malerischer Sinnlichkeit als herausragende Meisterwerke der modernen Malerei gefeiert.

Diese einzelgängerische Haltung und das Besinnen auf die eigenen Stärken sieht man nun mit aller Deutlichkeit bei Franco Kappl. Abseits des Zeitgeschmacks lässt er die emotionale Geste wieder hochleben, die für ihn eine wesentliche Sprachform der Malerei ist, ähnlich wie vor gut 15 Jahren. Was nun seine aktuellen Bildfindungen von den damaligen Schwarz-Weißbildern unterscheidet, ist die malerische Erfahrung, die er sich in den Jahren angeeignet hat. Im Laufe der 1990er Jahre wurden Kappls Bilder transparenter und in ihrem Farbauftrag ruhiger. Komplexe Bildräume sind entstanden, ein Vor- und Zurückspringen von monumentalen Balken und schillernden Farbzonen. Diese sind auch in seinen neuen Bildern zu erkennen – meist als dunkle erdige atmosphärische Flächen. Augenmerk legt der Künstler auf die Verbindung von gestischer Spur und Farbraum. In den frühen Gemälden um 1990 fungierte der Bildgrund gleichsam als dunkle Mauer, auf dem die Gesten ihre Spuren hinterlassen haben, verbunden mit Graffiti und Zeitungscollagen. Nun geht es um ein neues Spannungsverhältnis zwischen zweidimensionaler Spur und fiktiven Bildraum. Diese grafische Markierung ist nicht nur Manifestation des schöpferischen Aktes, sondern sie ist auch kompositorisch in das Werk eingebettet. Diese abstrakte Figur, dieses Zeichen ohne Inhalt, entsteht aus der malerischen Substanz, ist somit kein aufgesetzter Fremdkörper, keine Schablone. In Pony Wing korrespondiert der schmutzig weiße Strich mit der rechten oberen Bildecke. Spannend sind auch die kantig schroffen Übergänge und Brüche der einzelnen Bildebenen, die zu einem heterogenen aber einheitlichen größeren Ganzes werden. Hinzu kommt die gestische Markierung als wuchtiger Akzent, als »punkiger Beat«.

Florian Steininger