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Konstanze Stoiber

There Have to be Bells

blank down GALERIE nächst ST STEPHAN Domgasse 6
 26.01. - 27.04.2024



Eröffnung: Freitag, 26. Jänner, 18:00 Uhr
Einführung: Arch. Dipl. Ing. Wolfgang Zehetner, Dombaumeister, 18:30 Uhr



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Die Anfangssequenz von Ingmar Bergmans Film Fanny och Alexander von 1982 zeigt den im Spiel vertieften jungen Protagonisten Alexander. In der von Kerzenschein beleuchteten Szene verschiebt er, einer Inszenierung gleich, behutsam Figuren in seinem Spielzeugtheater und schafft unterschiedliche Perspektiven und Bezüge. Das Skript zu diesem Film, aufgelegt zum Durchblättern, findet sich in Konstanze Stoibers Ausstellung There Have To Be Bells und verweist damit auf eine ähnliche räumliche Situation, die die Künstlerin mit ihrer Präsentation in der Domgasse 6 erzeugt. In dem historischen, von barocker Architektur bestimmten Raum hat sie sorgfältig aktuelle Arbeiten sowie Leihgaben aus dem Wiener Stephansdom wie Bühnenversatzstücke platziert. In ihrer Anordnung und Bezugnahme zueinander verschränken sie Überlegungen zu christlich konnotierten Themen, die im zeitlichen und gesellschaftlichen Wandel grundlegende Veränderungen erfahren haben. Wie auch in Fanny och Alexander begegnen wir anachronistischen religiösen Bräuchen und kollektiven Gewohnheiten, die Konstanze Stoiber mit der Geschichte der Galerie und dem benachbarten Wiener Stephansdoms verknüpft.

Das wohl bedeutendste Symbol des Domes, der 1954 namensgebend für die vom Domprediger Otto Mauer gegründete Galerie St. Stephan war, ist die sogenannte Pummerin, die Glocke der Kirche. Ursprünglich aus Kanonenkugeln gegossen und nach der Zerstörung des Kirchendachstuhls im Zweiten Weltkrieg wieder angebracht, steht sie für die Konstruktion einer identitätsstiftenden, kulturellen Erzählung. Gleichzeitig symbolisiert die Glocke durch ihre permanente Nutzung und der daraus resultierenden Abnutzung einen Verfall, der durch einen Austausch des Klöppels hinausgezögert werden konnte. Zuletzt im Jahr 2011 ausgewechselt, ist der bis dahin in Verwendung gewesene Klöppel das zentrale Element der Ausstellung und bildet gemeinsam mit den ausgestellten roten Glasstücken des Singertores von St. Stephan „Fragmente der Erfahrungen des Erhabenen“, wie es Konstanze Stoiber nennt. Mystische Erfahrungen werden so räumlich unterstützt – der himmlische Lichteinfall durch farblich intensive Glasfenster oder das Wunder der Bekehrung des heiligen Paulus, wie es im Singertor zu sehen ist, durch die außerordentliche Dynamik in der Darstellung des mittelalterlichen Reliefs.

Um die religiösen Objekte gruppiert Stoiber eigene Arbeiten. Die beiden Diptychen – Öl auf Leinwand – agieren als Bühnenbild der Atmosphäre und hinterfragen das Zusammenspiel zwischen Inszenierung, Liturgie und Dramaturgie. Inhaltlich beziehen sie sich auf die Paulusgeschichte und sind von der Topografie des heiligen Landes und einer erdachten Reise in die syrische Landschaft geprägt. Von der Künstlerin gesammelte Wüstenblumen aus dem Negev und der judäischen Wüste, die sie in einer historischen Vitrine ausstellt und die an die Präsentation religiöser Reliquien erinnert, unterstützen ebenfalls diese Vorstellung.

Konstanze Stoibers Präsentation fokussiert auf eine vom Christentum und ihren Institutionen geprägten, europäischen Gesellschaft und fragt, wie sich identitätsstiftende und gesellschaftliche Rituale in der Säkularisierung verändert haben und wie stark historische, religiöse Orte unsere gegenwärtigen Erfahrungen prägen.

KONSTANZE STOIBER, geboren 1999 in Wien, lebt und arbeitet in Wien.

Stoiber absolvierte ihren Bachelor of Fine Arts in Modedesign und Malerei an der Parsons School of Design, New York City und Paris. Sie nimmt derzeit an dem Artistic Research Programm (PhD) an der Universität für angewandte Kunst, Wien teil.

Zu ihren jüngsten Ausstellungen zählen: September. Reminiszenz an eine Reise ins Heilige Land, Institut für Bibelwissenschaft, Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Wien, Wien (solo) (2023); She Only Likes Violence, Galerie D., Romainville, Frankreich (solo) (2022) und Parsons Paris Graduate Show: YMCA, Paris (G) (2021).