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the RED 2014 - MAIL ART PROJECT

 

 Galerie Lisi Hämmerle
 02.03. - 29.03.2014


Vernissage: am Samstag, dem 01. März 2014, um 19:00 Uhr



Das Funktionsprinzip der Mail-Art unterscheidet sich vom Distributionsprinzip tradierter Kunst. Es geht um die Handlungsbereiche: Herstellen-Absenden-Empfangen-Austauschen-Weitermachen. (Klaus Werner, Künstlerkarten, Ausstellungskatalog zur Ausstellung Postkarten+Künstlerkarten, Berlin 1978)
Stimulierend für Mail-Art-Aktivitäten sind weder akademisch ästhetische Richtlinien noch irgendwelche anderen Regeln tradierter ästhetischer Praxis. Ausschlaggebend ist einzig allein die aktuelle soziale Realität: In der festgefahrenen fremdbestimmten spezialen Umwelt geht es dem Mail-Artisten in erster Linie um eine Wiederherstellung des menschlichen Dialogs (Kommunikation als menschliche Qualität), Joachim Fiebach: Kreativität im Dialog, Berlin(ost), 1983)
Neben den „alternativen“ künstlerischen Äußerungen, im Gegensatz zu tradierten ästhetischen Kunstpraktiken, hat sich seit den 50er/60er Jahren des letzten Jahrhunderts eine Abwendung vom Werk-Gegenstand, also eine Abwendung von der autonomen Existenz eines in sich abgeschlossenen ästhetischen Produktes, vollzogen, hin zu Kunstprozessen, in deren Verlauf Spuren zurückblieben, als Reste, als Abfälle, Denkauslöser von kurzer Lebensdauer. Das Happening, das avantgardistische Theater (living theater), der Aktionismus oder die Performance-Art sind hier zu nennen.

Das Dreieck Künstler-Werk-Sammler wurde zerstört; es entstand ein neues, in der Kunst recht ungewöhnliches Bezugsdreieck Künstler-Werk-Empfänger, wobei der Empfänger nicht anonym bleibt, sondern sich als Reaktion direkt in den Kommunikationsprozeß in umgekehrter Weise einschaltet, d.h., der Empfänger wird zum initiirenden Künstler, und der Künstler wird zum Empfänger, und das im endlosen Wirkungsspiel. […] (Mailart, ein ernst zu nehmendes Betätigungsfeld für freie Kommunikation zwischen Völkern, Klaus Groh 1984)
Diese Eingangs angeführten Zitate sind Mail-Art-Ausstellungskatalogen entnommen, so auch der dritte Text, ein Ausschnitt des Katalogvorwortes von Klaus Groh – einer etwa 30 Jahre zurückliegenden (der ersten großen und vielleicht auch der letzten) MAIL-ART-Ausstellung, die in der Wiener Sezession zu sehen war.
Sie sind deshalb erwähnt, um auch Personen, deren Wissen um die Aktivität Mail-Art vielleicht ein geringes, bzw. gar kein Wissen darüber besitzen, das Spektrum derselben anzudeuten.

Einige der damals Beteiligten sind nicht mehr. Selbst Länder aus denen die teilnehmenden KünstlerInnen der damaligen Ausstellung (1984) kamen, gibt es nicht mehr – so zum Beispiel die DDR, CSSR und Jugoslawien.
Aber auch die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situationen aller anderen Länder haben einen grundlegenden Wandel durchgemacht – mitunter sogar einen demokratischen.

Manche der südamerikanischen Länder zBsp. Argentinien, Brasilien, Chile und Uruguay, woher einige der Teilnehmer der damaligen Ausstellung kamen, waren zu diesem Zeitpunkt teilweise noch totalitäre Diktaturen, wodurch vermittels Mail-Art die Möglichkeit gegeben war mit außerhalb dieser Länder lebenden Personen in Kontakt zu treten, um u.a. auf die dort stattfindenden Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinzuweisen.

Mitte November 2012 wurde eine Einladung an eine Auswahl von etwa 70 Personen/ KünstlerInnen verschickt, mit dem Wortlaut auf der Titelseite:
... als »ein Hauptmoment ... hervorzuheben (sind) die ästhetischen Eigenschaften des Goldes und Silbers«, die sie »zum naturwüchsigen Material von Pracht, Schmuck, Glanz, sonntäglichen Bedürfnissen (machen), kurz zur positiven Form des Überflusses und Reichtums. Sie erscheinen gewissermaßen als gediegenes Licht, das aus der Unterwelt hervorgegraben wird, indem das Silber alle Lichtstrahlen in ihrer ursprünglichen Mischung, das Gold nur die höchste Potenz der Farbe, DAS ROT, zurückwirft. Farbensinn aber ist die populärste Form des ästhetischen Sinns überhaupt« ...

Auf der Rückseite befanden sich Titel wie Thema in kurzen Worten, sowie einige technische Bemerkungen angeführt:
MAIL ART PROJECT/-EXHIBITION: theRED
FREE TECHNIC, FREE SIZE, NO RETURN, NO CENSURE, DOCUMENTATION TO ALL.
Please send an object or drawing or whatever represents [the idea of] RED, until to the end of March 2013, to
GUE SCHMIDT c/o MAG3 - SCHIFFAMTSGASSE 17 - A 1020 VIENNA, AUSTRIA - PLEASE COPY AND PASS ON!
Dieser Aufforderung sind bislang 52 österreichische sowie 165 ausländische KünstlerInnen gefolgt und haben insgesamt 413 Werke (Interior: 133 / Exterior: 280) mit unterschiedlichster Ausprägung an Form und Gestalt an den Projektraum MAG3 geschickt.
Es befinden sich darunter Klang- und Videoobjekte sowie Skulpturen, Postkarten und Kuverts in gezeichneter, collagierter sowie gemalter Form, Texte und Konzeptarbeiten, fotografische, malerische und zeichnerische Arbeiten, ja sogar kleine bis mittlere Installationen.
Diese Ausstellung war im Projektraum MAG3 im April 2013 (04.04. - 30.04.2013) in Form einer den gesamten Raum umfassenden Installation zu sehen.

Dass der die Farbe ROT thematisierende Text aus der „Zur Kritik der Politischen Ökonomie“ von Karl Marx stammt, war den KünstlerInnen nicht ersichtlich und auch nicht wirklich erkennbar. Dass das Textfragment einer Gesellschaftsbeschreibung entstammt, welche einer materialistischen Darstellung und umfassenden Kritik eines Systems gewidmet ist, das nach wie vor mit seinen periodisch vorkommenden verheerenden krisenhaften Eruptionen seinem Höhepunkt zustrebt, welches nicht nur ökonomisch sich bemerkbar macht, sondern auch ökologisch (also auch die Physis des Menschen zu vernichten droht!), ist vielleicht einigen der teilnehmenden KünstlerInnen bekannt, wohl aber weniger, dass auch wir als Produktions- und Zirkulationsagenten uns darin tummeln.

Da auch nach Ende der Abgabefrist, welche mit Ende März 2013 auf der ursprünglich ausgesandten Einladung angegeben war, der Strom von Zusendungen von Werken kein Ende genommen hat, ist ein Indiz für den Bedarf nach Ausdruck, wie auch weiters der Beweggrund die bisher geschickten Arbeiten in einer neuerlichen Ausstellung zu zeigen – in diesem Fall sogleich in zweien:

(1) Lisi HÄMMERLE hat theRED eingeladen um sie in ihrer Galerie zu präsentieren.
(2) November 2014 wird theRED in der RUSE ART GALLERY, Ruse 7000, 39, Borisova Street, BULGARIEN (in Kooperation mit dem Elias Canetti Zentrum Ruse) zu sehen sein.
Wie die teilnehmenden KünstlerInnen mit ihrer speziellen Arbeit auf das Thema reagiert haben ist in den jeweiligen Ausstellungen zu sehen – der Umfang dessen kann dann später in einem noch entstehenden Katalog, welcher im März 2015 im Projektraum MAG3 in Wien präsentiert wird, nachvollzogen werden.
Gue Schmidt