Ausstellungsliste nach Galerien
 Ausstellungsliste nach Künstlern

Nix Check Cashing

 Galerie Lisi Hämmerle
 01.10. - 05.11.2011

Vernissage: am Samstag, dem 01.Oktober, um 18:00 Uhr



G.R.A.M.,

Nix check cashing, 2011

Die Krise hat viele Gesichter. Viele Ursachen und viele Protagonisten, Drahtzieher und Opfer, Statisten und Zuseher. Die Grazer Künstlergruppe G.R.A.M., die in der Vergangenheit schon unter anderem repräsentative Fotos von (inter)nationalen Spitzenmanagern, Konzernchefs oder Tycoons nachgestellt und so die grenzüberschreitenden Gesten der Macht herausgearbeitet hat, widmet sich in ihrer jüngsten Fotoserie den von der Wirtschaftskrise betroffenen Börsenmitarbeitern. Immer dann, wenn Kursstürze über das kapitalistische System hereinbrechen, werden Gesichter von erschreckten Börsianern in den Medien veröffentlicht. Zu sehen sind die Köpfe anonym bleibender Personen, deren Mimik von innerer Erschütterung, purer Verwunderung und blankem Entsetzen kündet. Auch die Gestik ist vielsagend, wobei die gefalteten Hände nicht selten auch religiöse Assoziationen erlauben. Die medial transportierten „Krisenköpfe“ werden zu Stellvertretern einer negativen Botschaft, die da „Die Krise dauert an“ heißt. Wenn das System funktioniert, bleiben die Börsianer meist unsichtbar, mit jedem Kursverfall tauchen sie wieder auf. Meist sind sie vor oder hinter Bildschirmen zu sehen, grafische Chartanalysen, also Linien, die nach unten weisen, verstärken das Bild der Depression. Bildtexte wie „Händler an der New Yorker Börse: Sinkende Kurse, sinkende Laune“, runden das prägnante Schlaglicht der Krise ab. G.R.A.M. stellen insgesamt zwölf derartige Situationen im Fotostudie nach, lassen sämtliche Details des Interieurs weg und konzentrieren sich nur auf die Gestik und Mimik. Das fotografische Reenactment thematisiert die Posen der Börsianer. Ausschnitte eines dynamischen Prozesses werden wiederholt, die Statik, die den Wiederholungsprozess begleitet, steigert die Expression.

In strengem Schwarz-weiss gehalten und in ihrer seriellen Anordnung werden die Verzweiflungsgesten der Protagonisten mit einer Allgemeingültigkeit aufgeladen, die so zu aktuellen Varianten der „Charakterköpfe“ des barocken Bildhauers Franz Xaver Messerschmidt werden. In der Ausstellung werden die zwölf Fotos mit einer Fototapete, die ein anspielungsreiches Straßenmotiv aus Los Angeles (Ein Geschäft namens „Nix check cashing“) zeigt, kontrastiert. Der sprachliche Witz unterstützt die Ausweglosigkeit, die in den Bildern der Verzweifelten schon sichtbar wird.

Seit einigen Jahren (1988) konzentriert sich die Grazer Künstlergruppe G.R.A.M. auf den Aspekt des Reenactments, des Nachstellens und Nachspielens historischer Ereignisse. Was mit der Neu-Inszenierung von Standfotos aus Stummfilmen von Stan Laurel und Oliver Hardy begann ist zu einem umfangreichen Werkzyklus angewachsen. Die inhaltliche Bandbreite der mit dem Übertitel „Nach Motiven von…“ zusammengefassten Nachstellungen ist groß. Nachgestellt wurden unterschiedlichste Motive aus unterschiedlichsten Bereichen. Der Werkkomplex „Wiener Blut“ fasst etwa bildliche Neuinterpretationen der Wiener Aktionisten zusammen. Das Projekt „Jagdausflug im Stillen Ozean“ ist eine gemeinsam mit dem Autor Gerhard Roth realisierte Nachstellung der Bildnotizen des Autors. Die Serie „Global Player“ wiederum fokussiert Selbstdarstellungen des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Il, schließt aber auch Bildzeugnisse von Mao Tse-tung, Lenin oder dem VW-Vorstand mit ein. G.R.A.M. lenkt den Blick auf die Funktion der Bilder, auf die Bild-Politiker abseits des Sichtbaren.

Reenactements, wie sie G.R.A.M. produzieren, sind noch einmal durchgeführte Festlegungen aus der schier endlosen Galaxie von täglich erscheinenden Medien- und sonstigen Bildern. Obwohl die Bilder immer inflationärer werden, ist ihre Wirkung zwingender und mächtiger. Bildkritik ist konsequenterweise auch Kritik an den Vorgängen innerhalb der Gesellschaft und den damit einhergehenden Macht- und Ohnmachtsszenarien.