
Michael Höpfner, Retracing the Footsteps of Others (Tangra Tso, 2007), 2025. Foto des Künstlers.
18. Sep. 2007/ Tag 28: Mit Seilen zurrten wir meinen Rucksack, aufgeteilt auf zwei gleich schwere Säcke, auf den Rücken des Esels und gingen los. Eine Frau mit einem umgehängten Tragegestell, auf dem ein Sack Gerstenmehl montiert war, schloss sich kurz nach unserem Aufbruch an. Ein Mann, der auf einem Riemen einige Kräuter am Rücken baumeln hatte, kam ebenfalls hinzu, kurz nachdem wir die kleine Siedlung von Steinhäusern und Nomadenzelten am Nordufer des Tangra Tso verlassen hatten; diese drei also, und der Esel, gingen vor mir her. Ich selbst taumelte dahin, hatte immer noch Fieber von einem Sonnenstich. Die Schritte der drei Geher im sandigen, staubigen Fußweg vor mir faszinierten mich – genauso wie ihr andauerndes Berühren und Abtasten von Felsbrocken oder kleinen Pflanzen am Wegrand; eine andere Beziehung zur Welt;
Außerdem: Wir gehen nie eine gerade Linie, wir schlängeln uns durch die Welt. Eine organische Gehlinie versus A Line Made by Walking.
21. Juli 2017/ Tag 13: Nachgehen, Nachzeichnen, Retracing: mich selbst, meine eigenen Spuren und Schritte vom 28. September 2007. Am Abend erreiche ich den Platz, an dem ich vor 10 Jahren hinter einem Felsen geschützt am Boden den Schlafsack ausgerollt und geschlafen habe. Der rötlich verwitterte Felsberg vor mir wird von den Menschen „Khyong Zong“ genannt. Hier verändert die menschliche Welt nichts, alles überlagert sich. Welche Welt können wir sehen, welche Welten erinnern?
Die Galerie Hubert Winter freut sich, die bereits siebente Ausstellung des in Wien lebenden Künstlers Michael Höpfner (geb. 1972) zu präsentieren. In seinen neuen, von Zeichnung geprägten Arbeiten, folgt er nicht nur den Spuren der Anderen, er verfolgt vor allem seine eigenen.
Die großformatige Fotografie Retracing Kyong Zhong Two Times in Ten Years ist in einem Zeitabstand von zehn Jahren entstanden. Nach einer zweimonatigen Expedition im Jahr 2007 kommt Höpfner noch einmal an diesen Ort 500 km westlich von Lhasa, zu dem Felsberg „Khyong Zong“, zurück, und hält den Moment mit seiner analogen Kamera fest. Zurück im Atelier legt er die Negative dieses historischen Ritualfelsens von 2007 und 2017 übereinander, um zu erkennen, dass beide Aufnahmen nahezu identisch sind, gerade so, als wäre kaum Zeit zwischen den beiden Fotografien vergangen. Instinktiv entschied sich Höpfner demnach, den gleichen Standpunkt nochmal einzunehmen und unternimmt damit seine eigene Spurensuche.
Es ist nicht das ästhetische Denken, welches auf den wochenlangen Wanderungen am Chang Tang Plateau im Mittelpunkt steht. Es sind die Wahrnehmungsmöglichkeiten, vielleicht ein Aufmerksam-sein (und Später-machen) und immer wieder ein Sich-selbst-in-Relation-setzen. Orte, Zeiträume und Distanzen sowie die Ephemeralität interessieren Höpfner zu strapazieren und gleichzeitig fotografisch und zeichnerisch zu verbinden. Das beobachtende Zu-Fuß-gehen ist die Grundlage und einzige Konstante in seiner künstlerischen Praxis, (s)eine Auseinandersetzung mit Natur und Umwelt. Innerhalb der künstlerischen Diskurse suchen Michael Höpfners Arbeiten nach eigenen Darstellungsformen, die jeweils ein Spannungsverhältnis zur Walking Art, Land Art oder Walking Performance aufrecht halten. Es geht tatsächlich um eine stetige Suche und eine Orientierung, ein Beobachten und Verstehen und darum, Handlungs- und Erfahrungsmöglichkeiten auszuloten.
Wir laden Sie herzlich zu dem Walkthrough durch die Ausstellung am 11. April um 18 Uhr mit dem Künstler Michael Höpfner und der Kuratorin Hana Ostan-Ožbolt-Haas ein. |