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Maria Lassnig

Die Zeichnung ist die Errettung der Kunst
Zeichnungen aus dem Spätwerk
Eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit der Maria Lassnig Stiftung

Galerie Ulysses
 09.10. - 22.11.2024

 
 
Eröffnung: Dienstag, 8. Oktober 2024 um 19 Uhr

 

Bild
© Maria Lassnig Stiftung, Foto: Roland Krauss

Die Zeichnung ist die Errettung der Kunst: Maria Lassnigs poetisch dichte Werkbetitelung aus dem Jahr 2007 ist Namensgeberin für die aktuelle Ausstellung der Galerie Ulysses, die bis Mitte November das zeichnerische Spätwerk der österreichischen Künstlerin Maria Lassnig (1919-2014) zeigt. Die Biennale- und Documenta-Teilnehmerin wurde erst spät, mit 61, als Professorin an die Hochschule für angewandte Kunst berufen und gehörte zu den international anerkanntesten zeitgenössischen Kunstschaffenden: zukunftsweisend, bahnbrechend, klug, unverkennbar. Weltruhm erlangte die gebürtige Kärntnerin mit ihrer Malerei, ihre Bilder wurden und werden von bedeutenden Museen und Galerien weltweit gesammelt und ausgestellt. Ebenso berühmt wie ihre Kunst war ihr mitunter geradezu schroffer Eigensinn, ihr ausgeprägter Hang zu Widerspruch, ihr Humor und ihre bittere (Selbst-) Ironie. Ein Jahr vor ihrem Tod wurde Lassnig mit dem Goldenen Biennale-Löwen für ihr Lebenswerk ausgezeichnet, den sie aus gesundheitlichen Gründen aber nicht mehr selbst in Empfang nehmen konnte.

Österreich ehrte sie (übrigens als erste bildende Künstlerin) schon 1988 mit dem Großen Österreichischen Staatspreis und zehn Jahre später mit dem Oskar Kokoschka-Preis; zwei Jahre nach ihrem Tod wurde in Wien-Favoriten eine Straße nach ihr benannt, heuer ein Park in Wien-Margareten.

Im zehnten Todesjahr der Künstlerin konzentriert sich die Galerie Ulysses auf das zeichnerische Spätwerk – endlich, möchte man sagen. Als Mittelschülerin begann Lassnig bereits, alte Meister zu kopieren, zeichnete aus dem Lesebuch heimlich Albrecht Dürer unter der Schulbank ab, porträtierte ihre Freundinnen: „Ich habe immer schon gern Menschen angeschaut, das genieße ich auch heute noch in der Straßenbahn: die Leute zu beobachten und zu überlegen, was sie für ein Leben haben.“ Eventuell verdankten sich ihre Papierarbeiten vor allem am Beginn ihrer Künstlerkarriere dem Umstand, dass große Leinwände (zu) teuer waren. Und dann, in ihren letzten Lebensjahren, war für sie langes Stehen zu beschwerlich. Lehnstuhlbilder nannte sie eine Reihe der damals entstandenen, kleinformatigen Bleistiftzeichnungen. Aber Notlösungen, nein, das waren Lassnigs Papierarbeiten nie, es waren keine flüchtigen Skizzen für ihr malerisches Oeuvre, sondern wichtiger, selbstständiger Werkkomplex und, wie sie es einmal ausdrückte, „interessanter als die Malereien.“ Die Zeichnung sei der Idee am nächsten, sagte sie und präzisierte: „Die Zeichnung ist dem Augenblick am nächsten. Jeder Augenblick hat nur eine Möglichkeit.“ Ihr Denken und Hinterfragen sei von Platon und Sokrates, später auch von Jean-Paul Sartre geprägt worden: „Meine Philosophie kommt vom Existenziellen. Ich muss mich spüren. Das Sehen ist nicht so wichtig wie das Spüren.“ Lassnig dachte mit Zeichenstiften nach, folgerichtig heißt eines ihrer späten und nun in der Galerie Ulysses präsentierten Papierarbeiten Der Bleistift ist das beste Denkinstrument.

Ihre ersten Körperbewusstseinszeichnungen schuf sie in den späten 1940er Jahren und setzte diese auch in Öl um, etwa als großformatige Strichbilder, die in den frühen 1960ern in Paris entstanden. 1968 übersiedelte die Jahrhundertkünstlerin für mehr als ein Jahrzehnt nach New York, machte sich mit den Techniken des Zeichentricks vertraut und integrierte schließlich den Animationsfilm in das künstlerische Schaffen.

Das, was sie über die Körperbewusstseinsarbeiten 1970 in einem Katalog veröffentlichte, blieb bis zu ihrem Tod ihr künstlerisches Credo: „Ich fühle die druckstellen des gesässes auf dem divan, den bauch, weil er gefüllt ist wie ein sack. der kopf ist eingesunken in den pappkarton der schulterblätter, die gehirnschale ist nach hinten offen, im gesicht spüre ich nur die nasenöffnungen groß wie die eines schweines und rundherum die haut brennen.“ In einem lebenslangen Dialog ertastete sie ihre Identität, gab ihren Körpergefühlen und Körperempfindungen äußere Form: „Das einzig mir wirklich Reale sind meine Gefühle, die sich innerhalb des Körpergehäuses abspielen.“

Immer wieder schlug sie von dieser Innenarchitektur Brücken zur Außenwelt, spürte die großen philosophischen Themen wie Tod, Liebe, Vergänglichkeit im eigenen Leib. „Ich fange mit Körpererfahrung an. Dann kommen existenzielle Fragen hinein: das Krankenhaus. Krieg. Missbrauch. Die von Menschen malträtierte Natur. Wir sind arme Schweinderln heißt eine Zeichnung aus der Mitte der Nullerjahre. So herzzerreißend zartstrichig, schön und eindrucksvoll können nur die Schweinderln der Lassnig sein: „Dass man sich mit Kunst beschäftigt, bedeutet, dass man die Schönheit liebt. Ich kann in Schönheit schwelgen.“