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Axel Jonsson

Lily, Rosemary and the Jack of Hearts

bildGALERIE THOMAN INNSBRUCK
 03.12.2022. - 10.03.2023



Eröffnung: 3. Dezember 2022, 18 Uhr

 


AXEL JONSSON, Greensleves, 2022, oil on cotton, 185 x 146 cm
Photo © Galerie Elisabeth & Klaus Thoman / WEST.Fotostudio

“Rosemary started drinkin’ hard and seein’ her reflection in the knife”, krächzt die Stimme von Bob Dylan im Folksong Lily, Rosemary and the Jack of Hearts (1975). Nur Sekunden vom Mord an ihrem Mann Big Jim entfernt erkennt sich die Protagonistin im blitzenden Messer als künftige Täterin. Ein anderes Bild zeigt Lily im Treppenhaus eines Saloons, mit gerunzelter Stirn, über den nächsten Spielzug ihres „Five Card Stud“ nachdenkend.

Wie im Setting eines spannungsgeladenen Western sind es die großen und kleinen Entscheidungsmomente, die kurzen Augenblicke des menschlichen Abwägens, die Axel Jonsson als Motive erarbeitet. Jede noch so scheue Bewegung kann ein Auslöser sein oder eine unspezifische Handlung ins Rollen bringen. Das gilt für die brachiale Schenkelgeburt des Gottes Dionysos wie auch für den plötzlichen Start eines Motorboots in dunklen Gewässern.

Mit Rückgriffen auf kulturelle Text- und Bildtraditionen durchwandert Jonsson die konzeptuellen Narrative der westlichen Welt – Popkultur, Coming-of-Age Szenen, griechische und nördliche Mythologie, der Western oder das europäische Mittelalter –, um sie in die zeitgenössische Gegenwart zu übertragen. Dabei geht es Jonsson trotz des figurativen Realismus nicht um die Ausarbeitung thematischer Erzählformate oder Fragen der Repräsentation. Die Bildensembles stehen zwar in Beziehung zueinander, ergeben eine Choreografie der Malerei, doch verweigern sie einen formalen Ordnungszusammenhang.

Jonsson nutzt die Spezifität des Malereimediums als Strategie, um sich der ästhetischen Beobachtung von menschlichen Handlungen, Interaktionen und Beziehungen zu widmen. Der Fokus liegt auf vorsichtigen Regungen, dem sorgfältigen Herausschälen von Gestik und Mimik, dem modellieren idealtypischer Körperbilder. Dabei bedient sich Jonsson trotz einer genauen Pinselführung an einem naiven, illustrativen Malstil, der ihn weder im Register der Hommage noch der Kritik verorten lässt. Auch fällt das Nebeneinander von singulären körperlichen Eigenschaften in den Bildern auf. Adern, Kinn und Adamsapfel nehmen plastische Dimensionen an und verleihen den Figuren androgyne Züge. Sie scheinen in sich zu ruhen und nur langsame stoische Bewegungen auszuführen. Das lässt den operativen Aufbau des Spannungsbogens auch auf einer symbolischen Ebene spürbar werden und spielt mit der Erwartungshaltung der Betrachter*innen – um at high noon – im entscheidenden Moment, sowohl auf formaler und als auch narrativen Ebene, für das Paradigma eines offenen Endes zu werben.

Florentine Rungrama Muhry