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blank down GALERIE nächst ST STEPHAN Domgasse 6
 08.10.2022. - 21.01.2023


Eröffnung: Samstag 8. Oktober 2022, 14 – 17 Uhr




Marco A. Castillo, Miho Dohi, Manuel Gorkiewicz, Katharina Grosse, Sonia Leimer, Isa Melsheimer, Manfred Pernice, Karin Sander, Michael E. Smith, Jessica Stockholder

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Sonia Leimer zeigt neue Stühle, die sie ausgehend von Materialien für ein Projekt im Wartebereich der Arbeiterkammer Wien durch Upcycling weiterentwickelt hat. Ihre Auseinandersetzung gilt Berufsbekleidungen und ihren historischen Farbcodes, symbolischen Traditionen und zweckmäßigen Anforderungen (Orange als Farbe der Müllabfuhr, Schwarz für die RauchfangkehrerInnen, Weiß, Blau oder Türkis für ÄrztInnen und Pflegepersonal, Grün für die GärtnerInnen ect.). Indem Leimer die Stoffe mit einer Auswahl an Fotos bedruckt, die Ihre Hände bei der künstlerischen Arbeit im Atelier, beim Vermessen, Schweißen oder Lackieren zeigen, schafft sie nicht nur benutzbare Unikat-Sitzobjekte, sondern schreibt ihre eigene handwerkliche Tätigkeit in die anderen Berufsfelder ein.

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Katharina Grosse ist für malerische Environments mittels Spritzpistolen-Technik bekannt, die sich in riesigen Installationen im Innen- und Außenraum, an Hausfassaden oder in Treppenhäusern manifestieren. Ihre weich oszillierenden Farbverläufe dehnen sich auch auf Stoffen, Möbeln oder Alltagsgegenstände aus. In der Auslage der Galerie wird eine handbesprühte Unikatsedition eines Skateboards gezeigt, das durch das Fehlen von Rollen ihres ursprünglichen Gebrauchswerts befreit zur Skulptur mutiert. Durch die bewusste räumliche Setzung zur angrenzenden Straße, behält es seinen metaphorischen Charakter als Ausdruck von Freiheit und Bewegung.

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Manfred Pernice verwendet für seine zylindrischen oder prismatisch-gebrochenen Skulpturen, die an übereinandergestapelte Dosen oder Container erinnern, oft günstige handelsübliche Materialien wie Sperrholzplatten, Kacheln, Eisen oder Beton, die er mit Zeichnungen, Texten, Zeitungsauschnitten kombiniert. Er schafft damit ein offenes Referenzsystem, das mit kulturellen Codes, Erinnerungen oder kontextgebundenen Signifikaten spielt.

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Dieser Ansatz verbindet ihn auch mit der US-Amerikanerin Jessica Stockholder, die durch die Kombination von vertrauten Alltagegenständen mit befremdlich wirkenden bemalten Sperrholzlatten verräumlichte Collagen oder begehbare Raumbilder schafft. Die kleine, aus Teppichresten, einem Tischtennisschläger, Preisschildern und Nägel bestehende Assemblage steht in der Tradition der Fluxus-Bewegung, die nach einem fließenden Übergang von Kunst und Leben trachtete und die schöpferische Idee und den Prozess vor das eigentliche Kunstwerk stellte.

Manuel Gorkiewicz realisierte eine Adaption eines ursprünglich aus US-Letter-Formaten gefalteten Papiervorhangs, den er während seines MAK Schindler Stipendiums in Los Angeles in den von R.M. Schindler 1939 gebauten Mackey-Apartments an der Stelle einer ursprünglichen Schiebetür installierte. Gorkiewicz entwickelte eine Falttechnik, die bei der damals vorherrschenden Formensprache des Art Deco oder der Zig-Zag-Moderne Anleihe nimmt und im Kontrast zu Schindlers „De Stijl“- Vokabular des Mackey-Gebäudes stand. Indem er den Vorhang für das Tonnengewölbe in der Domgasse im DIN A4 Format nachbaute, verbindet er die Geschichte des österreichischen Architekten mit seiner eigenen: R.M. Schindler, der nach seiner Auswanderung 1914 nie wieder nach Österreich zurückkehrte, bekommt dadurch in Wien erneut symbolische Präsenz.

Karin Sander schließlich treibt in ihrem Umgang mit Alltagsgegenständen durch minimale Perspektivverschiebung die „Umwendung“ der gewohnten Wahrnehmung radikal auf die Spitze. Sie montiert echtes Obst und Gemüse mit einfachen Nägeln in stets gleichem Abstand auf Augenhöhe an die Wand und erhebt die Lebensmittel zu „realistischen“ Skulpturen. In den Kunstkontext überführt entfaltet sich die unheimliche Macht unserer kulturellen Konvention, die aus dem Gestus des Aufhängens von Objekten an die Wand resultiert. Wie weit wir uns schon von unserer physischen Realität entfremdet haben, zeigt sich nicht nur durch die Fetischisierung von Essen und Nahrungsmitteln in den sozialen Medien und der Stilisierung des Kochens zu sozialen Events, sondern auch darin, dass Sanders „Skulpturen“ durch unseren von den fotografischen Bildern gefilterten Blick fast die Anmutung von dreidimensionalen Farbfotografien bekommen.

 

— Fiona Liewehr