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Maria Pinińska-Berés

Meadow of Your Body

blank down GALERIE nächst ST STEPHAN
 09.09. - 22.10.2022


Eröffnung: Freitag 9. und Samstag, 10. September 2022, 12 – 18 Uhr



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Maria Pinińska-Bereś Łąkka Twojego ciała (Meadow of Your Body), 1987, plywood, upholstery foam covered with canvas, acrylic, 15 x 62 x 215 cm, Courtesy: Fundacja im. Marii Pinińskiej-Bereś i Jerzego Beresia | Photo: M. Gardulski Ł

Flachgewalzt wie ausgerollter Teig, biomorphe Formen mit sexuellen Konnotationen, ein weicher, schwammiger Stoff in einem intensiv-rosa Leinenbezug, darauf Buchstaben in runder, „weiblicher“ Schrift, die sich zu entzückten Seufzern, zu „och“ und „ach“, zusammensetzen. Der Titel ergänzt das, was uns die Sinne bereits eingeflüstert haben ...
 
Łąka Twojego ciała [Die Wiese deines Körpers] ist eine der zahlreichen Arbeiten von Maria Pinińska-Bereś, in denen die beiden Faszinationen der Künstlerin zum Ausdruck kommen: Erotik und Natur. Zwei Arten der Liebe: Liebe, die sich in einer befreiten und befreienden Sexualität manifestiert, sowie Liebe, die dem Gefühl der Verbundenheit mit der Natur – dem Reich der freudigen, ungehemmten Sinnlichkeit – entspringt. „Ich lief blind in die Herrlichkeit der Wiesen und Haine hinein, bis ich mich in einem Hohlweg wiederfand. Eine Erleuchtung überkam mich, ich fühlte mich eins mit dem Moos, den Flechten, mit all dem Wunderbaren, das mich umgab. Ich verschmolz mit dem Moos, wälzte mich in ihm vor Wonne stöhnend. Lange lag ich dort in absolutem Glück.“ So erinnert sich Pini?ska-Bere? an einen Ausflug ins Grüne in ihrer Jugend. Genauso gut könnte es sich um die poetische Beschreibung eines Liebesaktes handeln – und diese Ambivalenz ist nicht nur rein rhetorischer Natur
 
Körperliche, sinnliche Formen, schwächere oder deutlichere Anspielungen auf männliche, weibliche oder androgyne Sexualität erschienen Anfang der 1960er–Jahre in Maria Pinińska-Bereś’ Arbeiten. Die im Atelier von Xawery Dunikowski – einem der bedeutendsten Bildhauer der polnischen Moderne – ausgebildete Künstlerin benutzte durch diesen künstlerischen Einfluss zunächst robuste, bildhauerische Materialien (Zement) und Formen (Rotunden, Stelen). Deren Anspruch auf zeitlose Relevanz und die dadurch geschaffene emotionale Distanz und monumentale Feierlichkeit wurden von Pinińska-Bereś durch das Hinzufügen „unpassender“ Requisiten desavouiert – beispielsweise durch eine Steppdecke als Sockel oder eine aus demselben Material angefertigte Schürze mit ausgeschnittenen Öffnungen für die weiblichen Brüste. Im Laufe der Zeit verschwanden der Zement und die Kompaktheit der Skulpturenkörper, an ihre Stelle traten Ausdrucksmittel, die bisher nur eine ergänzende Funktion hatten. Mit ihrer Hilfe errichtete Pini?ska-Bere? eine Bühne, auf der sich das weibliche Begehren auf offene, „schamfreie“ Weise zeigen konnte.
 
Zu den weichen Materialien und erotische Emotionen weckenden Formen kommt die Farbe Rosa hinzu, die zu einem Spezifikum der Künstlerin wird. Rosa evoziert sexuelle Körperlichkeit, als Farbe von Mädchenspielzeug und -kleidung stellt es zugleich jedoch ein Mittel dar, dass der Individualisierung Einhalt gebietet und die Weiblichkeit auf die ihr zugeschriebene gesellschaftliche Rolle vorbereitet. Pinińska-Bereś setzt sich bewusst mit dieser kulturellen Konnotation auseinander. Doch „die Wiese des Körpers“, die sie vor uns ausbreitet, ist kein „Schlachtfeld“, wie in der berühmten Arbeit von Barbara Kruger. Dennoch bleibt Pinińska-Bereś dem oppressiven Charakter der patriarchalen Kultur, die den weiblichen Körper zum Objekt degradiert, nicht gleichgültig gegenüber – ihre Arbeit Czy kobieta jest człowiekiem? [Ist die Frau ein Mensch?], bestehend aus einem Badeanzug und einem Etikett, auf dem das Herstellungs- und das Verfallsdatum angegeben sind, ist nicht der einzige Beleg dafür. Allerdings scheint es ihr wichtiger zu sein, die weibliche, emanzipierte Sexualität zu zelebrieren. Wobei dieser emanzipatorische Moment für sie keineswegs im Widerspruch steht zu dem Gefühl einer sinnlichen, überindividuellen Gemeinschaft, zu einer spezifischen Panerotik, und zu der Ehrfurcht vor der Lebenskraft, die alles durchdringt und den hierarchisierenden Unterschied zwischen weiblich und männlich, menschlich und nichtmenschlich aufhebt. Beziehungen, die auf Dominanz und Ausbeutung – des weiblichen Körpers durch das männliche Auge, der Natur durch die instrumentelle Vernunft – gründen, werden ersetzt durch Beziehungen, die auf Empfindsamkeit und Fürsorge fußen. Wie in Przenośny pomnik: Miejsce [Bewegliches Denkmal: der Ort], einer zerbrechlichen, kurzlebigen Konstruktion aus minderwertigen Materialien, die von Pinińska-Bereś auf Hügeln und Wiesen errichtet wurde – nicht, um die umgebende Natur zu unterwerfen, sondern um ihr Ehre zu erweisen. Anders als ein traditionelles Denkmal ist Przenośny pomnik: Miejsce kein Zeichen der Herrschaft, sondern der Empathie und Koexistenz. Genauso wie die rosa Fahne, die die die Künstlerin bei ihrer Performance stolz im Wind wehen lässt. Ein Zeichen liebevoller Schwäche, die in einer durch Stärke zugrunde gehenden Welt die letzte Chance ist, diese zu retten
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Jaros?aw Suchan