Jörg Sasses Fotografien sind, wie er selbst formuliert, der
Versuch, "eine Entsprechung von 'Wirklichkeit' im Bild zu
erzeugen, anstatt etwas 'abzulichten'." Er hat den traditionellen
Anspruch von Fotografie als Reproduktion von Wirklichkeit hinter
sich gelassen und beginnt 1993 mit Hilfe des Computers Fotografien
zu manipulieren. Sein bevorzugtes Arbeitsmaterial sind Amateurfotos
von fremder oder eigener Hand. Eine Auswahl aus seinem riesigen
Fundus wird digitalisiert und überarbeitet, diese "Skizzen" dienen
als Grundlage für eine intensivere Weiterbearbeitung. Nur
wenige davon erlangen den Status eines "Bildes". Die
Eingriffe sind vielfältig und ohne das Ausgangsmaterial oft
nicht mehr nachzuvollziehen. Der Bildausschnitt wird verschoben,
die Farben werden verändert, Details werden scharf oder unscharf
gestellt, einzelne Motive werden an der andere Stelle gesetzt oder
verschwinden überhaupt. Es gewinnen bildnerische Kategorien über
das Motiv die Oberhand. Das Ergebnis ist ungreifbar, irritierend,
einer Zeitlichkeit enthoben.
"Das Geheimnis ist das, was uns immer wieder entgeht, wenn
wir sehen und begreifen wollen, was uns umgibt. Diese Realität
ist es, die sich ständig ändern, verflüchtigt, hinter
dem Schleier der Erscheinungen verschwindet. Die Wahrheit verbirgt
sich stets hinter einem Vorhang. (...) Mit den zahllosen Möglichkeiten,
die ihm der Computer bietet, bemüht sich der Künstler
darum, den Stoff des Bildes selbst zu bearbeiten. Er schafft Texturen
und Strukturen, die die traditionellen Merkmale der Fotografie
verschwimmen lassen und ihr einen neuen, nahezu malerischen Aspekt
verleihen. (...) Die Zeit wird hier ebenso abstrakt und illusorisch
wie die Objektivität der Fotografie. Alles, scheint der Künstler
sagen zu wollen, ist Fiktion, artifizielle Konstruktion a posteriori.
Damit aber führt er uns unmittelbar zu dem , was unsere Wahrnehmung
der Realität an Konditionierungen und Affekten in sich birgt.
Sasses ganze Methode beruht in der Tat auf einer Analyse der Perzeptionsmechanismen:
von der obsessiven Jagd nach verborgenen Fragmenten der Realität,
die ihn zu abstrakten Kompositionen führt, bis zur Dekonstruktion
des fotografischen Bildes, die sein genuin funktionales Wesen offenbart.
Auf diese Weise fordert uns der Künstler auf, die Verdinglichung
des Universums im Zeitalter der mechanischen Reproduzierbarkeit
des Sichtbaren nachzuvollziehen und uns den irrealen Aspekt einer
zunehmend virtuellen Welt bewusst zu machen."
(Guy Tosatto, Durchs Bild hindurch, in: Jörg Sasse, tableaux & esquisses,
Austellungskatalog des Musée de Grenoble, 2004) Jörg Sasse, geb. 1962 in Bad Salzuflen, Nordrhein-Westfalen,
lebt und arbeitet in Düsseldorf.
Ausstellungen (Auswahl): Kölnischer Kunstverein/Kunsthalle
Zürich, 1996/1997; Musée d'art moderne de la ville
de Paris, 1997; Portikus Frankfurt, 1998; Kunsthale Bremen, 2001;
Musée de Grenoble, 2004/2005
Die Kunstzeitschrift Frame Nr. 14, Februar/März 05, mit dem
Thema "Painting Photography" widmet Jörg Sasse die
Coverstory. |
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