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Berlin - Binnendifferenz

Abetz/Drescher Akademie Isotrop Fischer/el Sani Thilo Heinzmann Christian Jankowski Johannes Kahrs Jukka Korkeila Jonathan Meese Nader Henrik Olesen Tobias Rehberger Daniel Richter Frank Thiel

  GALERIE KRINZINGER
 13.9. - 28.10. 2000

 

Eröffnung: 12. 09. 2000 um 19 Uhr


Ort: Benger Areal, Mehrerauerstraße 3-5, 1. Stock über dem Shop, A-6900 Bregenz

Die Ausstellung "Berlin - Binnendifferenz" bietet erstmalig in Österreich einen konzentrierten Überblick über die junge Berliner Kunstszene.

Berlin hat sich in den letzten Jahren als das neue Kunstzentrum Deutschlands etabliert. Der Ort Berlin hat einen Sonderstatus, da viele internationale Künstler die Stadt als temporären Wohn - und Arbeitsplatz wählen und somit wesentlich zur Vitalität der Szene beitragen. Bemerkenswert ist, daß sich so eine extrem heterogene Szene gebildet hat, in der die Malerei wieder eine wichtige Rolle spielt. Wir halten es daher für sehr wichtig diese Entwicklung in Österreich zu präsentieren.

Kultfiguren des POP wie Chris Mayfield, The Beatles oder David Bowie bevölkern die Bilder des Künstlerduos Maike Abetz ( *1970) und Oliver Drescher (*1969).
Musik wird hier zu Malerei, die mit eigenen Mitteln die Welt repräsentiert, die Symbolcharakter hat. Abetz und Drescher, die beide zur ersten Fernsehgeneration gehören, reflektieren in ihren Arbeiten die medientechnologische Entwicklung und die damit verbundene Geschichte der Kunst des 20. Jahrhunderts.

Einen Sonderstatus nimmt die Akademie Isotrop, die 1996 in Hamburg von ca. 20 Künstlern gegründet wurde, in Berlin jedoch sehr präsent ist, für diese Ausstellung ein. Im Gegensatz zu den sonst in der Ausstellung vetretenen Einzelpositionen, ist die Akademie Isotrop eine autonom-organisierte Kunstschule, die Ausstellungen, Vorträge, Konzerte, Kongresse veranstaltet. Sie führt Seminare durch, gibt die Zeitschrift "Isotrop" heraus und betreibt die Galerie "Nomadenoase" im Golden Pudel Club/St. Pauli. Die Installlation der Akademie in der Galerie Krinzinger umfaßt Gemälde, Skulpturen, Video, Zeichnungen, Fotografien, etc. Der historische und soziale Rahmen der kollektiven Inszenierung von Kunstwerken thematisiert das individuell produzierte Werk als Ware.

Fischer/ el Sani (*1965/1966), ein Künstlerduo, das seit 1993 zusammenarbeitet, beschäftigt sich in ihren Videoarbeit mit dem Nichtsichtbaren als in " Tokyo (sur)face - 10 Sekunden an die Zukunft denken" sind 20 japanische Jugendliche, die frontal in die Kamera blicken und sich auf den unbekannten Film hinter ihrer Stirn konzentrieren. Die Handlungslosigkeit der Einstellungen macht es dem Betrachter möglich, tatsächlich zehn Sekunden lang in ein fremdes Gesicht zu blicken und dessen Vorstellung zu imaginieren, bis schließlich das unmerklich aufsteigende Denken an die eigene Zukunft die Wahrnehmung des anderen überlagert. Dieses subtile und lautlose Modell einer Begegnung steht paradigmatisch für die Arbeitsweise von Nina Fischer und Maroan el Sani; sowohl das Nichtsichtbare, als auch sein Austausch markieren Versenkungsgebiete ihrer Forschungen und fordern gerade dadurch immer wieder neue Visualisierungen heraus.

Thilo Heinzmann (*1969) bezeichnet sich selbst als Maler, als Maler und nichts als ein Maler. In der Wiener Ausstellung zeigt er eine großformatige Arbeit, die sich durch ihre schwarzfarbige Lackkomposition auf Styropor auszeichnet. Dieses radikale Suchen nach neuen Möglichkeiten der Malerei, zeigt sich auch in den beiden kleineren Arbeiten auf Papier, in denen er Layoutframes der Bildzeitung, jener der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gegenüberstellt. Die so gefundenen rechteckigen Grundformen sind für ihn Ausgangsmaterial für diese Arbeiten, in einem anderen Zyklus benützt er Aufnahmen des Habbel-Weltraumteleskops, um diese in seine collageartigen Arbeiten zu integrieren.

Christian Jankowski (*1968) lud für sein Video Projekt Create Problems fünf Wolfsburger Paare ein, im Dolly-Buster-Studio in Dortmund Anfänge von Pornofilmen nachzuspielen, um daraufhin einige Beziehungsprobleme vor der Kamera ohne feste Anweisung auszuagieren. Die Paare wählen zuvor eines der 20 möblierten Sets mit der dazupassenden Anfangsgeschichte aus, vom Krankenhausambiente bis zum eleganten Klavierzimmer. An dem Punkt, an dem in einem gewöhnlichen Porno die Anfangsgeschichte, mit ihren offensichtlichen Anspielungen, in Pornographie übergeht, entwickelt sich in Create Problems, jedoch plötzlich ein Konflikt zwischen Frau und Mann, der sich mehr und mehr zuspitzt und seine Streitthemen in der gemeinsamen Vergangenheit des betreffenden Paares findet. Dr. Fritz B. Simon, ein systemischer Paar- und Familientherapeut aus Heidelberg, kommentiert knapp die Problematik jeder Szene. Er begibt sich dazu jeweils in das Set, das sich das Paar zuvor für ihre Geschichte ausgesucht hat und erscheint selbst in einer Rolle zwischen Therapeut, Showmaster und Regisseur. Aufgenommen und produziert wurde Create Problems von professionellen Kameraleuten, Fotografen, Cuttern und Filmmusikern aus dem Pornobetrieb.

Johannes Kahrs (* 1965) arbeitet mit Bildern, die er entdeckt hat und die voller offener Möglichkeiten sind. Es sind Bilder großer Gefühle, Bilder, die in den Medien, in der Geschichte des Kinos vorkommen.
"Bühnen" auf Podeste sind für ihn künstliche Räume, in denen die Konstellation Bild, Bühne, Ton und Licht von besonderer Bedeutung ist. Immer wird der Betrachter in die Raum - Bildsituation mit eingebunden. Für die Arbeit "Lovers" sind kurze akustische Ausschnitte von Filmen von Antonionis "L' Avventura", über Bergmans "The Silence" zu Polanskis "The Tenant", Scorseses "Taxi Driver" und anderen, von einem Lied von Paul Anka "Don' t ever leave me" und einem aus Mozarts Zauberflöte "Das Bildnis ist bezaubernd schön" zusammen montiert.

Das ganze Spektrum der Liebe, Freude, Lust, Trauer, Schmerz und Wut wird akustisch vorgeführt, durch die eigene Perspektive der Töne entstehen nahe Räume der Intimität oder der Gewalt und ferne Räume der Trennung. Die Geschwindigkeiten und Lautstärken verbinden sich zu einem abstrakten Rythmus. Durch diese Bearbeitung werden die Bilder artifiziell und formalisiert, die Bildinhalte dadurch aber auch deutlicher, intensiver - ohne wirklich anwesend zu sein.

Die Energie, die von Jukka Korkeilas (*1968) Malerei ausgeht, ihre Zugkraft und Ausdrucksstärke beruhen auf der nahezu einzigartigen Weise, wie er zwei malerische Grundelemente zusammenführt: farbige abstrakte Leinwände und Figuratives. Korkeila zerreißt das Bild in tausend Stücke und Details. Er füllt die Leinwand mit multiplen Impulsen und Zitaten. Eines der zentralsten, sich häufig wiederholenden Themen ist der Archetyp "Mann", der in den Werken als eine Art Anti-Held in Erscheinung tritt. Es ist ein Mann, dessen Physis in diesem Fall dem allgemein akzeptierten und angestrebten Ideal von Körperlichkeit widerspricht. Ein solch anarchistischer unfd befreiender Bezug zu den vorherrschenden Schönheisstandard impliziert im Klartext Adjektive wie fett, schwitzend und behaart - ein Spiegelbild, das wir wohl öfter von uns haben, als wir es zugeben mögen.

Ordnung und Unordnung, Chaos und System - genau das sind die Pole zwischen denen Jonathan Meeses (*1813 geboren in Bayreuth) pseudo-privates Universum aufgehängt ist. Der ironische Selbstdarsteller bekennt sich als Jäger und Sammler, noch lieber als Räuber Hotzenplotz. Er jagt und raubt manisch zusammen, was unsere Alltagskultur ausspuckt, vergißt und liegen läßt. Leben und Kunst finden so bei Meese zu einer neuen Identität: Bereits als Student tat sich Meese durch seine imense Sammelleidenschaft hervor, bevor er sich schließlich als künstlerischer Sachverwalter seiner gesammelten "Lieblinge" im Kunstbetrieb durchsetzen konnte. Für die Wiener Ausstellung gestaltete er gemeinsam mit der Akademie Isotrop rund um sein "Forsthaus" eine raumfüllende Installation.

Schon sehr früh bestimmte eine kritisch reflektierte Auseinandersetzung mit ideologischen Strukturen und Systemen Naders (*1964) Denken und bis zu seiner Flucht aus dem Iran wuchs er in Tehran in einem intellektuellen politisch-geprägten Klima auf. Heute lebt und arbeitet er in Berlin, denn in dieser Stadt fühlt er sich der deutschen Geschichte am nächsten; einer Geschichte, die ihn vorallem aus der Prespektive der Philosophie interessiert: vor dem Hintergrund einer intesiven Beschäftigung mit der abenländischen Philosophie und der Malereigeschichte der vergangenen zwei Jahrhunderte entwickelt Nader seine Bilder aus einer ambivalenten Sicht auf die Möglichkeiten von Malerei. Die Maschinengebilde, deren Antriebskraft man nicht ausfindig machen kann, die architektonischen und flächigen Elemente, die dem Bildraum strukturieren, die Wort- und Wortlose Magie der Inszenierungen in denen die Bewegung wie eingefroren scheint, provozieren Möglichkeiten individueller ikonografischer Betrachtungsweisen unter denen die emblematische Ebene seiner Inszenierungen nur teilweise entziffert werden kann. Das Gehimnisvolle, nicht entschlüsselbare Moment in seinen Arbeiten birgt genau das Potenzial an Ambivalenz, das ein aktuelles Verständnis und Gefühl zu unserer Zeit widerspiegelt und gleichzeitig die Zeitlosigkeit einer solchen Haltung thematisiert und deutlich macht.

Die Arbeiten von Henrik Olesen finden ihre Ausformung in Postern, Skulpturen oder architektonischen Interventionen. Ob ein Poster, ein homosexueller Kater oder eine fragile Reh-Konstruktion einer Skulptur von Sol Le Witt, der Prozeß demonstriert de De-Konstruktion der Idee von Authentizität und kultureller Produktion.
In den Mittelpunkt gerückt wird die Präsenz von Minderheiten im Kontext von Geschichte, Gesellschaft und Institutionen der Kunstwelt. Als Beispiel von architektonischen Interventionen Henrik Olesens können die Reduktionen räumlicher Ausdehnungen in Konfrontation zum menschlichen Körper gegeben werden: Türen und Passagen werden verkleinert oder blockiert, Objekte werden zwischen neu konstruierten Wänden gequetscht. Diese Markierungen zeigen Territorien und Grenzen, wie sie in der heutigen sozialen Landschaft vorkommen.
Durch die Verwendung von billigen, vorgefundenen Materialien wie Styropor oder Karton, der Zerbrechlichkeit der Arbeiten von Henrik Olesen wird die Stabilität unserer kulturellen Umgebung in Frage gestellt.

Für Tobias Rehberger (*1966) sind Design und Architektur benutzbar, bewohnbar und gestaltbar.
Dinge, die ihn umgeben, die bereits gestalterisch und funktional durchorganisiert sind, werden dekontextualisiert, beziehungsweise neu entworfen, wodurch sie zum einen ihre (serielle) Anonymität verlieren und Kräfte freigesetzt werden können, die im Entwurf nicht vorgesehen sind.

Tobias Rehbergers Bücherregale sind Möbel für das Heim, sind aber auch seriell aufeinander abgestimmt wie eine Familie. Die Holzregale werden mit Büchern der gleichen Cover-Farbe gefüllt - Hellviolett trifft auf Orange, Schwarz auf Rot. Hier kann man den Koloristen Rehberger nicht verleugnen und die scheinbar anonyme Meterware wird zum authentischen Künstleroriginal.

Daniel Richter (* 1962) bedient sich nicht nur im originalen Bildvorrat der Kunstgeschichte, er greift ein in die überbordenden Warenlager unserer vollmedialisierten schönen neuen Welt, der Welt der Massenmedien und Computersysteme doch nicht genug: Richter erklärt nicht nur die Totalität des Visuellen freudig zum Ready-Made sondern zugleich auch dessen Negation die Störungen und Ausfälle der Technik das Scheitern des Visuellen das seine eigenen Bilder konstruiert. Daniel Richter nimmt die Freiheit der Abstraktion als Herausforderung an und stellt sich der Unendlichkeit von Möglichkeiten, die die Welt der Formen und Farben eröffnet. Getreu seiner Devise "Malen ist Denken" setzt und nutzt der Künstler dabei seine eigene Grammatik mit welcher er, das von ihm aufgestellte Vokabular an Zeichen, Farben, Gestalten und Flächen in neue Formen bringt.

Bei den Arbeiten von Frank Thiel (*1966) geht es um Großstädte und ihre Einwohner. Die Problematik der Urbanität, die Frage der Unsicherheit der Städte, aber auch die Überwachungs- und Sicherheitssysteme sind Themen seiner Arbeiten.
Besonders die Überwachungskameras, angebracht überall in der Großstadt, (in Eingangsbereichen, Kaufhäusern, Gebäudeecken, etc.) faszinieren Thiel. Die urbane Aktivität wird aufgezeichnet und gespeichert. Die Stadt wird ein einziges Filmset, in der sich die Bewohner in der Rolle von Statisten wiederfinden.Die Ausstellungen wurden von Bettina M. Busse und Thomas Krinzinger kuratiert.