1971 hat Gottfried Bechtold eines seiner Hauptwerke, den „Betonporsche“ erstmals in der Galerie Krinzinger
(damals noch in Bregenz) präsentiert. Seither ist dieses Motiv immer wieder in seinem Werk aufgetaucht, zuletzt
etwa als „Betonporsche II, Crash 2001“ in Form eines verunfallten Wagens, oder in „Elf Elf“ (2006) als elf Abgüsse
eines 911-Prototypen samt Schonüberzug.
Nun ist mit „Residue“ wieder eine Ausstellung Bechtolds in der Galerie Krinzinger zu sehen, und wie schon 1971
ist der Porsche 911 Ausgangspunkt für einen skulpturalen Schaffungsprozess. War es beim „Betonporsche“,
dem lebensgroßen Abguß des Sportwagens, ein dualer Ansatz zwischen zum Stillstand gebrachter implizierter
Geschwindigkeit und für die Ewigkeit erhaltener Form, ist es bei„Residue“ ein Ansatz der auf das prozessuale
Moment der Formgewinnung fokussiert. Residues, also Überbleibsel sind es, die zu sehen sind: Reste, die bei
der Herstellung von „Elf Elf“ angefallen sind. Ausschussmaterial wie Gussformen sind die Exponate, Formen
also, die ihrerseits von einem Original abgenommen wurden, um mit ihnen in weiterer Folge ein neues Original
zu schaffen. Der Nicht-Kunst-Gegenstand Automobil wird mit Hilfe der Negativformen in Kunst übersetzt, wobei
es bei Bechtold um die Ästhetisierung eines Alltagsgegenstands geht. Wo das Automobil die Bewältigung einer
Strecke zur Funktion hat, ist es bei der Gussform die Abbildung. Das Abbilden ist das künstlerische Grundmotiv
schlechthin, und so stehen die Gussformen in der Ausstellung nicht nur für ihre in der Ausstellung abwesende
Positivform, sondern auch für künstlerisches Schaffen per se. Vergleicht man die Formgewinnung mit einer
Reise, sind die Gussformen gewissermaßen Souvenirs: Skulpturale Produktion ist ein Kampf um Form, und in
„Residue“ werden die Fragmente zu Erinnerungsstücken an einen Schaffungsprozess.
Die Ausstellung hat einen didaktischen Ansatz, mit dem Ziel einer Beweisführung dass Form sich nie selbst
genügt, immer abhängig ist. Es ist der Versuch, den Absolutheitsanspruch von Form in Frage zu stellen, die
Vorstellung eines definitiven Kunstwerks durch exhibitionistische Zurschaustellung ad absurdum zu führen. Form
ist immer Form von einer Form von einer Form, wie Bechtold anmerkt: „Wenn Duchamp auf eine Gusstechnik
geht, verwendet er immer gleichzeitig das Wortpaar „negativ“ mit „nativ“, das ist natürlich interessant, dieses
Gebärende oder dieses Formgebende und das Negativ davon. Die Technik des Abdrucks beinhaltet immer die
Vorstellung der Umkehrbarkeit, das komplexe Beziehungsgeflecht zwischen konkaven und konvexen Formen.“
Was die Werke in „Residue“ angeht, kommt die Form als offensichtliche Negativform daher, als Form zwischen
Realität und Abbild. Und so materialisiert sich diese Differenz zwischen dem Auto und dem Betonporsche in der
Ausstellung in Form von Relikten eines Transformationsprozesses, die wie das Automobil für den Weg und nicht
für ein Ziel stehen – nicht ganz unpassend, könnte man meinen, in Zeiten in denen „der Karren an die Wand
gefahren wurde“.
Gottfried Bechtold, geboren 1947 in Bregenz, lebt und arbeitet in Hörbranz (Vorarlberg). Ausstellungen (Auswahl):
2009: „Residue“, Galerie Krinzinger, Wien (solo), „Best of Austria“, Lentos, Linz; 2007: „Rückblende“, Neue Galerie
Graz, „Anzengruber-Biennale“, Café Anzengruber, Wien, „Gottfried Bechtold. Arbeiten 1970–2006“, Fotogalerie
Wien, „For a Special Place: Documents and Works from the Generali Foundation Collection“, Austrian Cultural
Forum, New York, „Gottfried Bechtold. Reine und gemischte Zustände“, Kunsthaus Bregenz (solo); 2006: „Und
so hat Konzept noch nie Pferd bedeutet“, Generali Foundation, Wien; 2002: „Crash Porsche 933. Kids Line“,
Kunsthalle Wien, „Hommage an Rudolf Schwarzkogler“, Galerie Krinzinger, Wien; 1996: „Gottfried Bechtold“,
Bregenzer Kunstverein im Palais Thurn und Taxis / Kunsthalle Wien (solo); 1972: documenta 5, Kassel (kuratiert
von Harald Szeemann).

|
|