Zwangsfütterung und
Verdauung sind die Themen der aktuellen Ausstellung von Atelier van
Lieshout. Seit den 80er Jahren wurde Joep van Lieshout (*1963), der
1995 das Atelier van Lieshout (AVL) gründete, im Rahmen dessen
als Gemeinschaftsarbeiten farbenfrohe, modulare Fiberglas-Möbelversatzstücke
und Objekte entstehen. Diese eingängigen, künstlerischen
Gestaltungslösungen, die häufig eine Nähe zum Design,
zur Architektur oder zur Populärwissenschaft aufweisen, sind
das Markenzeichen dieses Künstlerkollektivs geworden. Dennoch
beschäftigt sich Atelier van Lieshout auch mit tabuisierten oder
sexuell konotierten Themen.
Auch diese Art der Grenzbereiche werden augenfällig groß zur
Schau gestellt. In der aktuellen Präsentation sind es die physiologischen
Zwänge, die anhand von Großskulpturen untersucht werden.
Zwangsfütterungen ("Mini-Feeder") und menschlichen Biogasproduktionen
stehen überdimensionale anatomische Modelle von Herz, Leber, Gurgel,
Anus und Penis gegenüber. Fäkalische Themen, ebenso wie die
Konfrontation des Betrachters mit menschlichen Organen - also seinem
eignen Inneren - löst überraschender Weise keinen Ekel aus,
sondern erweist sich als surrealer, minimalistischer und utopischer
Kommentar zu diesen "boundaries" des Geschmacks und der Empfindlichkeiten.
Um den Charakter seiner Großskulpturen als Gemeinschaftsprojekte
zu betonen, entwickelte Joep van Lieshout eine gut organisierte Werkstattsituation
in Rotterdam. 2001 institutionalisierte sich sogar die AVL Ville, ein
autonomer Staat, situiert im Rotterdamer Hafen, der seine eigene Verfassung,
seine eigene Flagge und sein eigenes Geld besitzt.
Atelier van Lieshout: Der Gründer Joep van Lieshout wurde 1963
in Ravenstein, Niederlande, geboren und lebt und arbeitet in Rotterdam.
In den 80er Jahren brachten ihm seine ersten Bücherregale und Tische
aus buntem Fiberglas das Unverständnis der Designer ein, weil diese
als Eingriff in ihr Terrain verstanden wurden und nicht als autonome
Kunstwerke. 1992 erhielt er den nationalen niederländischen Kunstpreis "prix
de Rome", dem zahlreiche internationale Preise folgten. Zahlreiche
Einzelausstellungen in großen Museen (PS1, New York, Museum für
Gegenwartskunst in Zürich, Sprengel Museum, Hannover etc.) und
Ankäufe bedeutender öffentlicher Sammlungen machten seine
Arbeiten im letzten Jahrzehnt international bekannt. Krinzinger Projekte
zeigte 2002 Arbeiten von Atelier van Lieshout in der Ausstellung "Politically
Correct? Dutch!".
Atelier van Lieshout ist die zweite niederländische
Ausstellung in Folge, die in der Galerie Krinzinger gezeigt wird. Im
Juni wurde Erik van Lieshout präsentiert. Die Namensgleichheit
führt häufig zur Verwechslung der beiden Künstler, die
beide in Rotterdam arbeiten. |

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