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Josef Kern

Durchsichtige Absichten


  GALERIE GERERSDORFER
 10.2. - 30.3.2024

 

Meet the Artist: Samstag, 10. Februar, 13-18 Uhr
Josef Kern ist anwesend


Josef Kern bei Gerersdorfer

Josef Kern ist als Maler seit den 1980er Jahren aus dem Kreis der „Neuen Wilden“ in zahlreichen Ausstellungen hervorgetreten. (Die Etikettierung war eine Anspielung auf den alten ‚Oberwildling‘ Kokoschka). Kerns Weggefährten und teilweise Freunde bis heute waren damals Schmalix, Mosbacher, Wiedner, Bohatsch, Anzinger, Klinkan(+) und andere. Der Aufbruch in eine neue figurative Malerei, die sich in Deutschland vollzog und in Österreich eine eigene Spielart entwickelte, kann man als Reaktion auf die lange ‚Durststrecke‘ der malereifeindlichen 1970er Jahre sehen.

Kern war das, was einen Vollblutmaler nennen konnte – er malte ohne Vorzeichnung, spontan direkt auf die Leinwand –, seine Portraits, Blumen- und Pflanzenbilder und Akte beiderlei Geschlechts, seine Selbstakte mit und ohne weibliche Begleitung, waren von einer bemerkenswerten Schonungslosigkeit. Sein Realismus rückte ihn in die Nähe von ---wiewohl Künstler Vergleiche meistens nicht mögen –Lucian Freud, als gewissermaßen ‚österreichisch‘ gemilderte Form der seelischen Entblößung.

… Die neueren Arbeiten aus den letzten Jahren, die ab 10. Februar 2024 in der Galerie Gerersdorfer in Wien zu sehen sind – es ist nicht das erste Mal, daß Kern dort ausstellt – sind technisch um eine neue Raffinesse bereichert. Er setzt vor die Zeichnungen oder dünn kolorierten Figuren (sämtliche Arbeiten sind auf Papier) kräftige, auf Glas gemalte Bilder, die die dahinterliegenden Figuren teils durchscheinen lassen, teils verdecken. Beide Schichten treten so in Korrenspondenz, einer Doppelbelichtung in der Photographie vergleichbar, und geben dem Betrachter Gelegenheit, über Absicht, Deutung und Lüftung des Geheimnisses nachzudenken. Eventuell erhellende Bildtitel erfindet Kern erst im Nachhinein, sie wollen zwar benennen, aber nichts erklären. Die Bilder sind als Bilder der Phantasie erfunden, nicht im Kopf erdacht: Sonderbare Zeichen in sonderbaren Zeiten, aber ohne ideologische Richtung und ohne didaktischen Zweck!

Alexander Wied, Wien, 5.1.2024