1930 in Galati, Rumänien, geboren, flüchtete
der zwölfjährige Daniel mit seiner Familie 1942 vor den
Nationalsozialisten nach Zürich, wo er bis 1951 lebte. Dort
kam es zur bedeutsamen Bekanntschaft mit Max Pfister-Terpis, der
für Spoerri zum richtungsweisenden geistigen Inspirator werden
sollte. Er war es auch, der Spoerri 1951 zur Weiterbildung nach
Paris schickte. Dort entwickelte Spoerri gemeinsam mit Jean Tinguely
das "Farbenballett". 1954 ging der Künstler nach
Bern, um Solotänzer im Ballett des dortigen Stadttheaters
zu werden. Bald inszenierte er auch Theaterstücke, so z. B.
Eugène Ionescos "Kahle Sängerin". Seine Bekanntheit
verdankt Spoerri allerdings den sogenannten "Fallenbildern",
die ab 1960 entstanden. Dabei werden (scheinbar) zufällig
auf einer Fläche (z.B. auf einem Tisch) verteilte Objekte
(Geschirr, Gläser, Zigaretten) von Spoerri auf die Platte
geklebt und dann als Tafelbild an die Wand gehängt. Später
ging er dazu über, festliche Gelage mit Freunden auf diese
Weise festzuhalten und zu dokumentieren. In seinen "Fallenbildern",
die er bis heute immer wieder variiert und weiterentwickelt hat,
zeigt sich der Widerspruch zwischen Fixierung und Bewegung: "Die
Gabeln, Messer und Löffel, aufgeklebt, in ihrem natürlichen
Bewegungsablauf unterbrochen, beschwören die Bewegung umso
mehr, (...) in dem der Prozeß unterbrochen, angehalten, gestoppt
wird" (H. E. Violand-Hobi). Performances gehören ebenso
zum vielfältigen Oeuvre von Daniel Spoerri wie Koch-Happenings,
Skulpturen und Objektassemblagen. Auch als Gartenkünstler
betätigt sich Daniel Spoerri: im Garten seines Landsitzes
in der Toscana stehen monumentale Skulpturen und Assemblagen aus
Stein, Bronze und Holz.
Quelle: H.E. Violand-Hobi, Daniel Spoerri (München, London,
New York 1998).
Biografie: |
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1930 |
27. März: Daniel Isaac Feinstein (später Spoerri)
wird in Galati/Rumänien als Sohn des zum Protestantismus
konvertierten Juden Isaac Feinstein geboren. Sein Vater kommt
1941 in einem nationalsozialistischen Vernichtungslager ums
Leben. Die Familie flieht in die Schweiz, die Heimat der Mutter. |
1953/54 |
Spoerri nimmt eine Stelle als Baletttänzer an der Berner
Oper an. Anschließend versucht er sich in Bern auch als
Regisseur kürzerer Experimentalfilme. |
seit 1959 |
Spoerri zieht nach Paris und trifft dort die Künstler
Jean Tinguely (1925-1992), Arman (geb. 1928), Francis Dufrene
und Yves Klein (1928-1962). Sein Interesse für die bildende
Kunst wird durch die Zusammenarbeit mit Tinguely geweckt. Anschließend
entwickelt Spoerri eine eigenständige Objetkkunst.
Seit den 60er Jahren macht sich Spoerri mit den sogenannten Fallenbildern einen
Namen. Wie in einer "Falle" soll ein Stück Alltagswirklichkeit
eingefangen werden. Er fixiert und konserviert zufällig vorgefundene Anordnungen
von Gegenständen des Alltags als Kunstwerke. Später umschreibt er diese
Objekte als "Topographien des Zufalls". |
1960 |
27. Oktober: Zusammen mit den Künstlern Jean Tinguely,
Arman, Francis Dufrene, Raymond Hains, Yves Klein, Pierre Restany,
Villeglé und Martial Raysse begründet Spoerri die "Neuen
Realisten" in Paris. Sie wollen sich absetzen einerseits
von "der in Paris dominierenden informellen Malerei mit
ihrem Subjektivismus" und andererseits von "der in
Amerika aufkommenden Popart".
Austellung seines Fallenbildes "Das Frühstück des Kichka I" im
Museum of Modern Art, New York. |
1961 |
Spoerri entwickelt die sogenannten Ent-Täuschungsbilder:
zweidimensionale, in realistischer Manier gemalte Bilder, die
durch das Aufkleben oder Anmontieren von Objekten eine dritte
Dimension erhalten. In Mailand wird sein Ent-Täschungsbild "Die
Dusche" ausgestellt. |
1961 - 1964 |
Im Kunstmuseum Düsseldorf wird das Fallenbild "Der
Stuhl von Marcelle" ausgestellt. |
1966 |
Spoerri zieht sich für ein Jahr auf die kleine griechische
Insel Symi zurück. Während dieses Aufenthalts entstehen
die 25 Objekte der sogenannten Zimtzauber-Episode. Es handelt
sich dabei um abgelegte Gebrauchsgegenstände, die in der
Komposition mythisch überhöht werden und Fetischcharakter
gewinnen. |
1966/67 |
Im Museum Morsbroich in Leverkusen werden die Zimtzauber-Konserven "Magische
Objekte mit einer Nuß" ausgestellt. |
1968 |
Veröffentlichung der Schrift "Anekdoten zu einer
Topographie des Zufalls". |
1968 - 1972 |
Spoerri betreibt in der Altstadt von Düsseldorf das "Restaurant
Spoerri" und die "Eat-Art-Gallery". Die Eat-Art
besteht aus Resten von beendeten oder abgebrochenen Mahlzeiten,
die im Sinne der "Fallenbilder" zu Momentaufnahmen
eingefroren und anschließend mit Leim und Konservierungsstoffen
fixiert werden. |
1971 |
Ausstellung der Montage "Die Gefahr der Vervielfältigkeit" im
Fondazione MudiMa, Mailand. |
1978 - 1982 |
Hochschullehrer für Kunst in Köln. |
1979 |
Spoerri initiiert das "Musée Sentimental" in
Köln, das als Vorbild für einen neuen Ausstellungstypus
Schule macht. Dort wird der Versuch unternommen, die Geschichte
einer Stadt mit Hilfe von Relikten aus dem Alltagsleben zu
erzählen. |
1980 |
Veröffentlichung einer mythologischen Untersuchung über "Heilrituale
an bretonischen Quellen". |
1983 - 1989 |
Professor an der Akademie der bildenden Künste München. |
1985 |
In der Galerie Andy Illien in Zürich wird das Ent-Täuschungsbild "Hautkrankheiten" ausgestellt. |
1985 - 1989 |
Veröffentlichung von Kochbüchern unter dem Titel "100
Kochrezepte". |
1987/88 |
Ausstellung des Ent-Täuschungsbildes "Das Ballett
der deutschen Schäferhunde" in der Galerie Beaubourg,
Paris. |
1990 |
März: Eröffnung einer Wanderausstellung mit circa
120 Arbeiten aus Spoerris bisherigen Werk im Centre Pompidou
in Paris. |
1995 |
Das Deutsche Brotmuseum in Ulm stellt 22 Tische von Spoerri
mit dem Titel "Sevilla-Tische: eaten by" aus. |
1998 |
Der Kunstverein Kassel zeigt eine Installation Spoerris
mit 26 großformatigen Arbeiten aus dem Zyklus "Karneval
der Tiere".
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