Henri Michaux , 1899 in Namur, Belgien geboren und 1984
in Paris gestorben, wo er seit 1924 lebte, gehört zu den wenigen
Maler-Dichtern des 20. Jahrhunderts, die sowohl in der Literatur
wie in der bildenden Kunst ein herausragendes und eigenständiges
Werk geschaffen haben. "Ich male wie ich schreibe", sagte
er 1959 von sich selbst. Zeit seines Lebens liefen Wort-und Bildproduktion
parallel, auf der Suche nach der Sichtbarmachung der Innenwelt,
des "léspace du dedans". Mit taches und alphabets,
amorphe Flecken und abstrakte Schriftzeichen aus den Jahren 1925-27,
wurde er zum Pionier des Tachismus. 1954-1959 fanden unter medizinischer
Aufsicht seine Experimente mit der psychoaktiven Substanz Meskalin
statt. Sie dienten der Erforschung und Erweiterung der Grenzen der
Wahrnehmung und des Bewußtseins. D.h. Reorientierung, die
Erfahrung der Elastizität von Raum und Zeit sowie der Uneindeutigkeit
der Formen und Zeichen.
Für Michaux war die Malerei eine Reise ins Innere seiner
selbst, ein geistiges Hinabsteigen. Eine Prüfung, eine Leidenschaft.
Auch ein luzides Zeugnis des Taumels: während des endlosen
Falls hielt er die Augen offen und konnte in den grünen und
schwarzen Flecken an den Brunnenwänden die Schriften der Angst,
des Schreckens, des Zorns entziffern. Auf einem Stück Papier
auf seinem Tisch sah er im Lampenschein ein Gesicht, viele Gesichter:
die Einsamkeit des Geschöpfes in den es bedrohenden Räumen.
Reisen durch die Tunnel des Geistes und die der Physis, Expeditionen
durch die unendlich kleinen Unermeßlichkeiten der Gefühle,
Eindrücke, Wahrnehmungen, Vorstellungen. Geschichtliche Ereignisse,
Geographien, Kosmologien der Länder dort drinnen, unbestimmt,
fließend, in ständiger Auflösung und in ständigem
Werden, mit ihren unbändigen Vegetationen, ihren gespenstischen
Bevölkerungen. Michaux ist der Maler des Auftauchens und Verschwindens.
Oft wird angesichts dieser Werke seine Phantasie gelobt. Es sind
wahre Momentaufnahmen des Schreckens, der Angst, der Hilflosigkeit.
Besser gesagt: wir leben unter geheimnisvollen Mächten, doch
wir wissen, obgleich wir Ihre wahren Namen nicht kennen.
Ausstellungen u.a. Biennale Venedig, Palais des Beaux-Arts/
Brüssel, Kestner Gesellschaft/Hannover, Fondation Maegh/St.Paul-de-Vence,
Museum des 20. Jahrhunderts/Wien, Kulturhaus der Stadt Graz, Musée
National d´Art Moderne - Centre Pompidou/Paris, Guggenheim
Museum in New York , Seibu Museum/Tokio, Neue Galerie/Graz, Bibliothéque
nationale de France/Paris, Galerie Michael Werner/NewYork, Drawing
Centre/NewYork
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