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Bleib am Teppich

40 Jahre Kunstraumarcade

GALERIE ARCADE
 24.05. - 05.07.2014

 

Vernissage am Samstag, 24. Mai 2014, um 18:00 Uhr


40 Jahre Arcade

Untersuchung des künstlerischen Raumes von Ingrid Gaier

In letzter Zeit wird der Arbeitsraum des Künstlers häufig diskutiert. Je mehr sich dieser in Zeichen digitalisierter Arbeitsweisen aufgelöst bzw. umdefiniert hat, desto mehr rückt das Atelier in den Fokus des Interesses.  Das klassische Atelier, wo die Kreativen in Abgeschiedenheit werken, ist nur mehr ein Modell unter zahllosen anderen. Die KünstlerInnen sind in ihren Arbeitsweisen viel mobiler geworden, digitalisiert und flexibel. Freiräume und Selbstbestimmung sind jedoch trotz aller unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsweisen von gleichbleibender essentieller Bedeutung.
2014 feiert die Arcade ihr 40-jähriges  Jubiläum.  Eine Gelegenheit, die künstlerische Athmosphäre dieses Ausstellungsraumes, der für zahllose künstlerische und literarische Aktivitäten steht, mit vielen Beteiligten, die diesen Ort zu dem gemacht haben, was er ist, sichtbar zu machen. Die Arcade ist einer der Freiräume, der künstlerisches Handeln in Selbstbestimmung ermöglicht.
Die KünstlerInnen der Arcade haben unterschiedlichste Zugänge zu künstlerischem Tun. Um diese verschiedenen Haltungen nicht nur als eine unter zahllosen Werkausstellungen zu präsentieren, wurden sie gebeten, ein mobiles, flexibles „Kleinmuseum“ zu bespielen. Das Verbindende ist die „Architektur“; als flexible Ausstellungsfläche diente ein Seidenteppich von Ingrid Gaier in den am Menschen orientierten Maßen von 158x96 cm. Diesen Teppich stellte sie mit der Bitte zur Verfügung, ihn als Arbeits- und Präsentationsfläche zu verwenden.
Die KünstlerInnen der Arcade bespielten den Teppich als ihren eigenen variablen Ort, sie interpretierten ihn als Museum und/oder Arbeitstätte, sie benutzten ihn als Statement, als work in progress oder integrierten ihn in ihre eigene künstlerische Arbeit.

Als altes textiles Kulturgut markiert der Teppich den Untergrund und verwandelt den Platz dort als eigenen Boden. Er ist flexibel und variabel. Unabhängig von seiner Umgebung kann er entrollt und im Anschluss wieder zusammengerollt an den nächsten Ort transportiert werden. Semper bezeichnet den Teppich als „Urmöbel“. Er ist Möbel, Boden und Dekor gleichzeitig. Als „Mantel für den Boden“ beschreibt ein französischer Minnesänger des 12. Jahrhunderts den geknüpften orientalischen Teppich, der zu dieser Zeit vor allem als Sitzgelegenheit diente, was in Europa einen neuen Aspekt darstellte. In Europa wurden zur damaligen Zeit Teppiche vorwiegend als Dekoration und als Wärmedämmung mit umfangreichen Bildgeschichten an den Wänden benutzt.
Auch die KünstlerInnen erzählen Geschichten, allerdings auf und mit dem Teppich und mit den Werken, die sie der Kamera zeigen.
Die textilen Bodenbeläge, die in manchen Kulturkreisen als wertvolle Gastgeschenke oder Gunstbezeugungen benutzt wurden, demonstrierten Wohlstand und Einfluss. Sie bedeuteten eine besondere Ehrung für den Gast, für dessen Empfang oder Abschied der Teppich ausgerollt wurde. An seinem Wert konnte der Besucher seine Wertschätzung ablesen. 
In verschiedenen Kulturen hat der Teppich auch eine wichtige religiöse Funktion, er definiert für die Zeit des Gebets die „Auszeit“ und den Raum für das Göttliche. Er markiert heilige Bereiche wie den Altarbereich und verweist auf die Heilslehren.

Die KünstlerInnen der Arcade entfalten ihr Werk auf einem Seidenteppich, einem ursprünglich kostbaren Unikat, das inzwischen zu einem Massenprodukt geworden ist. Manche zeigen sich mit ihren Werken als Performende.
In der klassischen europäischen Porträtdarstellung nehmen die auf Teppichen Portraitierten einen Sonderstatus ein. Der Fuß dieser Personen sollte nicht auf dem Boden stehen, sondern das Privileg eines kostbaren Textils spüren. Somit werden die Porträtierten gleichsam zu „Geadelten“.
KünstlerInnen präsentieren traditionell allerdings das andere Ende der Skala, gehören nicht zu den Geadelten, sondern in der Regel zum neuen Prekariat.
Trotzdem leisten sie einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben, und das sollte in Form einer Fotoausstellung in der Arcade zu ihrem 40. Geburtstag gezeigt werden. Gemeinsamer Nenner ist das variable Museum „Teppich“, und das Eingebundensein in die Kulturarbeit dieses Ortes.

 

 (Konzept, Organisation und Text: Ingrid Gaier)

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