„Räume sind nicht, Räume werden gemacht.” (Hans-Dietrich Schultz, Historiker)
Die Fotografien des Langzeitprojektes „Abwesenheitsnotizen“ zeigen museale Gedächtnisstätten von bekannten Persönlichkeiten, wie beispielsweise von Martin Luther, Albert Einstein oder Annette von Droste-Hülshoff, die in der heutigen Zeit jedermann zugänglich als Museen fungieren.
Die Orte präsentieren in erster Linie die damalige Wohneinrichtung ihrer heute berühmten BewohnerInnen – im Original oder, wenn das nicht mehr möglich ist, mit detailgetreuen Rekonstruktionen, zumindest aber mit der Zeitepoche und dem gesellschaftlichen Status entsprechendem Interieur. Die Fotografien zeigen Ansichten dieser Wohnräume, jedoch im komplett ausgeräumten Zustand, frei von beweglichen Gegenständen und Mobiliar.
Was bleibt, wenn nichts mehr bleibt? —Wenn kein Möbel, keine persönlichen Gegenstände oder gar frische Schnittblumen auf dem Tisch suggerieren, dass der Hausherr noch eben im Zimmer gewesen sein könnte? Der Blick wird freigegeben auf Elemente aus heutiger Zeit: auf Heizkörper, Sicherheitssysteme, Steckdosen, Hinweisschilder und unsere Trittspuren auf dem Fußboden.
Mit dem Ausräumen der ehemaligen Arbeits- und Lebensräume wird eine Leere inszeniert, welche den Blick des Betrachters auf die sichtbar werdenden „Unbestimmtheitsstellen“ lenkt und hierüber die Frage nach Verlust und Beständigkeit an die heutige (Nach-)Welt erhebt.
Im doppelten Sinne reflektiert „Abwesenheitsnotizen“ das Thema des „Spuren Hinterlassens“ — des sich in die Welt Einschreibens, des Abdruckes; einerseits als geistig-intellektuelles Vermächtnis des sogenannten Lebenswerkes, andererseits buchstäblich als indexikalische Lichtspur, im Sinne des Abdrucks auf dem Film, der vermeintlich Evidenz gibt von der Existenz und Wahrhaftigkeit des Gezeigten. Mit bemerkenswerter Klarheit vermittelt die Arbeit der Künstlerinnen durch das temporäre Entleeren der Räume die Brüchigkeit und Ambivalenz, die der Konzeption von Zeitlosigkeit und scheinbarer Unveränderlichkeit innewohnt, indem sie Präsenz in der Absenz suggerieren und Vergangenheit mit modernen Mitteln inszenieren.
„Die ‚Abwesenheitsnotizen‘ sind, gleichermaßen wie ihr Gegenstand zwischen Dokument und Inszenierung changierend, kritische Reflexionen über die Herstellung von ‚Bildern‘, in denen Geschichte überliefert wird. So ist es gerade die Entleerung der Räume, die inhaltliche Auslassung, die die Vorstellungskraft der Besucher stärker als das intakte Interieur fordert und die ‚Abwesenden‘ anwesend werden lässt.“ (Agnes Matthias, Abwesenheitsnotizen, Dresden 2010)
Die Ausstellung in Kooperation mit AIR — ARTIST IN RESIDENCE präsentiert die neuesten fotografischen Werke der Künstlerinnen, die während ihres Stipendienaufenthaltes in Krems in niederösterreichischen Gedenkstätten entstanden sind und sie in Erinnerungs-, Lebens- und Arbeitsräume von Ludwig van Beethoven, Josef Haydn, Egon Schiele, Hugo Wolf u.a. geführt haben.
Anja Bohnhof *1974, studierte nach einer fotografischen Ausbildung „Visuelle Kommunikation/Fotografie“ an der Bauhaus-Universität Weimar. Sie arbeitet seit 2004 freiberuflich im Bereich Fotografie und Bildende Kunst. Seit 2006 ist Anja Bohnhof als Lehrbeauftragte für Fotografie an der FH Köln tätig.
Karen Weinert *1976, studierte nach einer fotografischen Ausbildung „Visuelle Kommunikation/Fotografie“ an der Bauhaus-Universität Weimar. Sie arbeitet seit 2004 freiberuflich im Bereich Fotografie und Bildende Kunst. Von 2008 bis 2010 war Karen Weinert als Lehrbeauftragte für Fotografie an der Bauhaus-Universität Weimar tätig. Gemeinsam mit Uwe Patzer betreibt Karen Weinert seit 2003 den nicht-kommerziellen Ausstellungsraum „Bautzner 69“in Dresden.
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