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Ordnung : Unordnung

Marie-France Goerens, Viktor Hulik, Jesse Willems

 ZS art Galerie
 29.06. - 30.09.2021

Soft-Opening: Dienstag, 29. Juni 2021, 14:00 bis 21:00 Uhr


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Wenn man davon ausgeht, dass Kreativität "Abweichen von der Norm ist", dann beinhaltet diese These schon eine weitere – nämlich: erst das Unterbrechen einer Ordnung gibt dem Werk Spannung, Esprit. Ordnung, bloß der Ordnung wegen, ist fad. Erst wenn Unvorhersehbares den Rhythmus der Ordnung unterbricht, wird die Ordnung interessant.

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Der komplementäre Weg, Chaos zu schaffen, um sich von Anfang an im kreativen Bereich zu bewegen, führt unweigerlich zu Ordnungsprinzipien. So birgt selbst das am meisten ordnungsfreie Werk, wenn auch nicht offensichtlich, doch eine Ordnung, eine Struktur, ein Konzept. Das Spannungsfeld zwischen Ordnung und Unordnung begründet sich in dem Reiz von Harmonien. Harmonie ist in der Evolution – die nach Symmetrie strebt, sie jedoch nie vollendet, sondern stets um Nuancen abweicht – die treibende Kraft. Wie auch im, aus dem der totalen Unordnung entsprungenen, Universum.

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Die zs art galerie zeigt eine generationsübergreifende Ausstellung mit drei Künstler*innen, deren Gemeinsamkeit sowohl in einer mehr oder weniger streng ausgelegten konstruktiven Formensprache besteht, als auch aus der Einbeziehung von künstlerischen Parametern wie Zufall, Chaos, Ordnung und Unordnung und einem prozessorientierten Arbeiten. 

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Marie-France Goerens
Die 1969 in Luxemburg geborene und heute in Wien und Luxemburg lebende Künstlerin wird seit einigen Jahren erfolgreich von der zs art galerie vertreten. Goerens studierte in Wien an der Universität für angewandte Kunst in der Klasse für Bildhauerei und Multimedia bei Erwin Wurm und in der Klasse von Hans Schabus (Transmediale Kunst). 

Ihre Arbeit sieht sie als "ein Wechselspiel zwischen autonomer Form und installativem und ortsbezogenen Charakter. Ich verhandle dabei stets zwischen guter und schlechter Form, Perfektion und Ungenauigkeit, Realismus und Abstraktion. Dabei verschiebe ich nach Belieben vom Persönlichen aufs Kollektive.", so Goerens. 

Dass ihr das Arbeiten mit dem Raum nicht nur ein Anliegen ist, sondern auch liegt, zeigte sie zuletzt eindrucksvoll auf der PARALLEL VIENNA, wo sie für ihre Solopräsentation mit der zs art galerie eine in-situ Installation entwickelte. Im Rahmen des Art Walk 18 transformierte sie eine Wohnung im 18. Wiener Gemeindebezirk zu einem Ausstellungsort. 

Neben Installation und Performances setzt sie ihre künstlerischen Intentionen vor allem auch im Medium der Collage um. Diese zeigen ein sensibles Arbeiten mit Materialschichten, ob Tapeten, Folien oder Papier. Oft sind es weggeworfene Dinge des täglichen Gebrauches, die sie als Vorlage benützt oder auch als Realitätsfragmente in die Installationen integriert. "Dinge, die abgelehnt worden sind, bekommen sozusagen eine zweite Chance.", so Goerens. "Im künstlerischen Schaffungsprozess vollziehe ich, indem ich aufhebe und einfüge, einen Versuch der Ordnung."

In der aktuellen Ausstellung zeigt sie Arbeiten aus der Serie "Terrain Vague" (Wasteland). Darin beschäftigt sie sich mit Grundrissen leerstehender Wohnungen. Wohnungen von Bekannten oder von der Plattform Willhaben. Sie besuchte alle diese Wohnungen und fertigte Skizzen an. In der Folge hat sie diese wieder zerschnitten, zerrissen oder gefaltet.

In "Terrain Vague" werden die ehemaligen Wohnungen zu Fragmenten, zu Orten des Umbruchs. Die Räume beschreiben einen labilen Zustand, einen Wandel und Übergang. Goerens sieht darin eine Metapher für die menschliche Existenz und bezieht sich auch auf das von Robert Smithson formulierte gedankliche Bild der "umgekehrten Ruine". Als Material verwendete sie alte Bettlaken und Tischtücher, die sie aus einer leerstehenden Wohnung mitgenommen habe. "Sie haben, genau wie die Räume, ihre Geschichten. Vor allem in der Corona-Zeit wurde der häusliche Raum zu unserem Mittelpunkt und Rückzugsort.", so Goerens. "Die Arbeiten zeigen Ausschnitte, Fragmente, Überreste von diesen Räumen einerseits in Form von flachen Reliefs andererseits in Form von Wandarbeiten und Skulpturen. Aus den Fragmenten entsteht etwas Neues, das sich aus der Vergangenheit nährt und eine neue Form hervorruft."

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Jesse Willems
Jesse Willems, geboren 1984 in Antwerpen, Belgien, gilt zurecht als einer der Up & Coming Künstler der jungen belgischen Kunstszene. Willems lebt in Antwerpen und ist nicht nur Künstler, sondern auch passionierte Surfer. 2017 erhielt er den Marc Meulemans Award und war in den letzten Jahren sowohl in Belgien als auch international in Ausstellungen vertreten. 

In seinem Werk lotet er sowohl die Grenzen als auch die Schnittstellen zwischen einer figurativen und abstrakten Bildkonzeption aus. Sein Werk wirkt zunächst formal, konkret, als Zusammenspiel freier Formen. Allerdings ist sein Werk eng mit der Street-Art und Musikszene verbunden. So erhielt er für die Collage, die er für den Hip-Hop Künstler Coely anfertigte, nicht nur den Marc Meulemans Award (Best Artwork), sondern auch eine Nominierung für das beste Kunstwerk im Rahmen der Music Industry Awards (MIA’s). Sein Werkzeug ist die Schere, mit der er Fragmente aus alten Zeitungen, Magazinen und Textbüchern ausschneidet. Die Bandbreite der Techniken innerhalb seiner künstlerischen Praxis ist groß und umfasst Collage und Fotografie. 

Sein Urgroßvater hinterließ ihm eine Sammlung von 800 alten National Geographic Magazinen. Die darin enthaltenen Abbildungen, Fotografien von den späten 1940er-Jahren bis zur Gegenwart, standen am Beginn seiner Beschäftigung mit der Collage und mit vorgefundenen Bild- und Papiermaterial. Willems suchte die Bilder nach abstrakten Flächen ab und fügte diese zu geometrischen Kompositionen zusammen. Durch seinen konsequenten Fokus auf eine abstrakte Bildsprache gelingt es ihm, die chaotische und vielfältige mediale Bildwelt zu reduzieren und ein Extrakt daraus zu exzerpieren. So entstanden aus über 70 Jahre alten Material neue zeitgenössische Collagen. Neben den alten und neuen Zeitschriften, seinen Kunstbüchern, sind auch gebrauchte, zum Teil beschriebene Papiere oder alte Pläne Ausgangsmaterialien. 

So zeigt er in der zs art galerie eine Reihe von Collagen, in denen er Textseiten aus dem Katechismus verwendet, dessen Unterweisung in die christlichen Glaubensfragen jedoch auch frauenfeindliche Passagen enthalten. Indem Willems die Texte umdreht und mit den leeren Rückseiten arbeiten, eliminiert er die reaktionären Inhalte. Die Handlung bringt also nicht nur die formale, haptische Qualität des Papiers zutage, sondern ist auch ein bewusster Akt. Auffallend sind auch die satten Farben der dunkelblauen und roten Carbonpapiere, die früher als sogenannte „Durchschlagpapier“ verwendet wurden, um Durchschriften (Kopien) anzufertigen und nun von Willems eindrucksvoll in Szene gesetzt werden. 

Darüber hinaus sind seine Stadt-Spaziergänge mit der Kamera eine wichtige Quelle der Inspiration für den Künstler. Mit der Fotografie arbeitet Willems ähnlich wie mit seinen Collagen. So ist er mit dem Fotoapparat im urbanen Raum unterwegs, stets auf der Suche nach Fragmenten des „everyday life“, die oft übersehen werden. In dem er sie vergrößert, rückt er sie in den Fokus. Seine frühen Collagen und Fotografien können noch als figurativer und überladen mit Objekten beschrieben werden. Die Hinwendung zu einer Suche nach den abstrakten Qualitäten in den Dingen des täglichen Lebens und damit ein Wendepunkt zu einem reduktiven Bildaufbau brachte seine erste Soloausstellung. Seine Bilder wurden kleiner und ruhiger, weiche Farben, Reinheit, Stille dominieren. Die Elemente erhielten mehr Raum am Blatt. Konsequent eliminierte Willems alle unnötigen Cut-outs. Das, was übrig bleibt, sind die wenigen Fragmente, die es wert sind, dass man sich an sie erinnert. Die Suche nach abstrakten Kompositionen und die Strukturierung der Realität sind auch ein Mittel, mit dem Chaos und dem Stress unserer Welt zurecht zu kommen, so Willems. 

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Viktor Hulík
Erstmals zeigt die zs art galerie Arbeiten von Viktor Hulík in größerem Umfang. Doch ist der 1949 in Bratislava geborene Künstler in Österreich kein Unbekannter und war unter anderem in der Wiener Galerie von Peter Lindner sowie in Graz bei Galerie Leonhard mit Werken vertreten. Hulík studierte in Bratislava und lebt und arbeitet ebenda. Seine umfangreiche internationale Ausstellungstätigkeit macht ihn jedoch zu einem "Global-Player", wie ihn der Sammler und Kunsttheoretiker Jürgen Weichardt einmal bezeichnete. Hulík trat in den 1980er-Jahren der Internationalen Künstlergruppe INT-ART bei, 1990 erhielt er von der Pollock-Krasner-Stiftung ein einjähriges Stipendium in New York. Weitere Auslandsaufenthalte folgten. 

Neben seiner künstlerischen Tätigkeit setzt sich Viktor Hulík für Präsenz der slowakischen Gegenwartskunst ein. So organisierte er auf Plätzen und in Galerien in Bratislava mit großem Erfolg die Ausstellung "Skulptur und Objekt" und war von 1993 bis 1995 Vorsitzender des Berufskünstlerverbands der Slowakischen Republik und begründete 1997 im Zentrum von Bratislava die Galerie Z, die er bis heute betreibt – auch allen Up&Downs zum Trotz. Denn die Galerie ist, so Hulík, nicht kommerziell orientiert, sondern als Präsentationsplattform intendiert. 

Sein Werk ist der konstruktiven Formensprache verpflichtet, die er konsequent entwickelte, auch mit Hilfe des Computers und einer speziellen Software. Dynamik und Bewegung waren von Beginn an zentrale Elemente – von den frühen "entfaltbaren" Landschaften, bis hin zu den in der Ausstellung nun gezeigten mobilen Wandobjekten. Dies zeichnet auch die aktuell präsentierten Werke aus, die durch die Betrachter*innen bewegt und damit verändert werden können. Aus der vom Künstler zunächst vorgegebenen, geordneten Komposition, die von Regel, Reihe, Raster und Repetition bestimmt ist, entstehen eine Fülle an Variationsmöglichkeiten des Bildes beziehungsweise Bildobjektes. Der Künstler ermöglicht so einen Eingriff des Betrachters in den künstlerischen Prozess. Die herkömmliche ästhetische Konsumierbarkeit des Kunstwerkes wird durch die aktive Teilnahme durchbrochen. Präzise Erarbeitung der Werke konterkarieren mit dem gewollten Prinzip von Zufall und der Lust am spielerischen Arbeiten mit Formen, Farbflächen und Linien. Dabei arbeitet er sowohl mit der Reduktion auf Schwarz-Weiß als auch mit bunten Farbflächen.

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Text: Silvie Aigner