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Walter Pichler

Zwei Tröge, Wasserrinnen

GALERIE THOMAN
  27.04. - 05.10.2013  


Vernissage: am Samstag, dem 27. April 2013, um 12:00 Uhr

 

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Es ist ungewöhnlich, einen Text zu einer Ausstellung mit einer Entschuldigung zu beginnen. Dennoch muss diese hier am Anfang stehen. Mit der Präsentation von Walter Pichlers Werk Zwei Tröge, Wasserrinnen wagen wir uns als Galerie auf neuen Boden. Walter Pichler war mit seinen behüteten Objekten und seinen präzisen Zeichnungen oft Gast in unseren Räumen. Nur ungern ließ er seine Geschöpfe, seine Arbeiten unbeaufsichtigt aus seiner „Akropolis“ in St. Martin. Oft kam es vor, dass er Zeichnungen und Objekten eine kleinere oder größere Figur als „Beschützer“ mitgab. Gut bereitete er seine Ausstellungen vor und war, sowohl bei der inhaltlichen Gestaltung wie auch beim technischen Aufbau seiner Objekte, immer zugegen, um diese nicht unbeobachtet in Sphären der Kunst zu entlassen. Walter Pichler verstarb im Sommer letzten Jahres in Wien. Dies ist nun die erste öffentliche Präsentation seiner Werke, die ohne seine Anleitung ein Auskommen finden muss. Die Perfektion, die in Pichlers Arbeiten und durch seine Anleitung auch in den Ausstellungen immer zu finden war, müssen wir diesmal, wie ihn selbst, schmerzlich missen.

Mit der Skulptur/Architekturstudie Zwei Tröge, Wasserrinnen präsentiert die Galerie Elisabeth & Klaus Thoman Wien ein Werk Walter Pichlers, welches schon früh in seinen Arbeiten auftaucht, jedoch erst später zu seiner Ausformung gelangte. Es ist eine schmale Gratwanderung auf die sich Walter Pichler mit dieser Arbeit begibt. Die Wasserrinnen stellen mit ihrer nicht klar definierten Einordnung zwischen Architektur und bildender Kunst ein exemplarisches Beispiel von Pichlers Gestaltungswillen dar. Das Haus für die Tröge und die Wasserrinnen sind nicht nur durch den zeitlichen Kontext in St. Martin entstanden. Auch der architektonische Zweck ist direkt durch die räumlichen Bedingungen von Pichlers Rückzugsort im Südburgenland gegeben. Die hügeligen Weiten dieses Landstrichs sparen nicht mit Wasser. Regen, Bäche und Flüsse sind allgegenwärtig und definieren die sanfte Kulturlandschaft. Walter Pichler gestaltete hier keine Intervention im Raum, sondern überließ dem Wasser seine natürliche Form des Fließens. Eine architektonische Herangehensweise hätte nur wenige Zeichnungen für dieses Projekt verlangt. Jedoch ist dies eine der Besonderheiten, die Walter Pichlers Arbeit auszeichnen. Zeit war sein maßgeblicher Werkstoff mit dem er sich jedem Detail seiner Projekte zuwandte, um ihnen die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die ihnen zustand. Impulsives Arbeiten, das oft als Qualität im Kunstprozess wahrgenommen wird, war nicht Walter Pichlers Art. Er widmete seinen Objekten höchste geistige Konzentration und exaktes Arbeiten. Diese Konzentration gepaart mit einem Rückzug aus der schnelllebigen Kunstszene machen Walter Pichler zu einem herausragenden Künstler und sein Werk zu einem gelungenen und einzigartigen Balanceakt zwischen Kunst und Architektur.

Walter Pichler wurde 1936 in Deutschnofen in Südtirol geboren. Nach dem Auswandern seiner Familie nach Österreich im Zuge der Südtiroler Option studierte er an der Kunstgewerbeschule in Innsbruck und schloss 1955 an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien ab. Bereits Walter Pichlers erste Ausstellung, Architektur, zusammen mit Hans Hollein in der Galerie nächst St. Stephan, gehört zu den meistrezipierten Ausstellungen in der Kunstlandschaft Nachkriegsösterreichs. Im Jahr 1960 absolvierte Walter Pichler einen längeren Aufenthalt in Paris. Es folgen Aufenthalte in New York und eine Reise nach Mexiko. 1967 wurden Walter Pichlers Werke zusammen mit jenen seiner Freunde und Kollegen Raimund Abraham und Hans Hollein unter dem Titel Visionary Architects im Museum of Modern Art in New York gezeigt. Im Jahr darauf folgt die Teilnahme an der Documenta IV in Kassel. Anfang der Siebziger Jahre erwirbt Walter Pichler ein kleines Gehöft in St. Martin an der Raab im Südburgenland, das ihm als Werkstatt und Wohnhaus dient, aber auch als Aufstellungsort seiner Skulpturen. 1975 ist Walter Pichler mit der Schau Projects erneut im Museum of Modern Art in New York vertreten. Im Laufe dieses Jahrzehnts wird Pichlers Werk unter anderem auch in der Whitechapel Gallery London und im Israel Museum in Jerusalem gezeigt. 1982 unter Kommissär Hans Hollein stellt Walter Pichler auf der Biennale Venedig aus. 1985 wird ihm der Große Österreichische Staatspreis für Bildende Kunst verliehen. Das Käthe-Kollwitz-Museum in Berlin präsentierte Pichlers Werke zusammen mit jenen von Joseph Beuys unter dem Titel Joseph Beuys, Walter Pichler: Zeichnungen. Es folgen 1998 die Ausstellung Drawings: Sculpture: Buildings im Stedelijk Museum in Amsterdam und Prototypen 1966-1969 in der Generali Foundation Wien 1999 sowie 2002 Das Haus neben der Schmiede im Architekturzentrum Wien. Seine Ausstellungen Es ist doch der Kopf für Berlin und das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Innsbruck 2008 und die letzte Ausstellung im Museum für angewandte Kunst Wien 2011 waren wichtige zeitübergreifende Werksschauen. Als besondere Präsentation gilt die Dauerausstellung Zeichnungen: Für meine Mutter im Schloss Tyrol bei Meran. Walter Pichler starb am 16. Juli 2012 in Wien. Die 55. Biennale di Venezia 2013 zeigt eine Gruppe von Skulpturen Walter Pichlers in der Rotunde des internationalen Pavillons.
Walter Pichler Zwei Tröge, Wasserrinnen Snoeck Verlag Köln erscheint im Herbst 2013.