Softwarefirmen sind nach ihm benannt, Theateragenturen, Kliniken
und Bowling Clubs.
Daneben ist er ein stark frequentierter Link auf sacredsites.com:
der Mount Kailash, der heiligste Berg der Hindus, der Jains und
der Buddhisten. In der fernöstlichen Mytholgie auch Ursprung
und Zentrum der Welt, ein Pfeiler, der aus der siebenten Hölle
in die höchsten Himmel reicht. Der Gewaltige ist auch ein
Unberührbarer. Pilger, die ihn nach beschwerlicher Reise erreicht
haben, umkreisen ihn in respektvollem Abstand, für sportliche
Kletterer und Gipfelstürmer ist er tabu. Herbert Brandl sieht
den Vielpublizierten profaner: irgendwie, sagt der Künstler,
erinnere ihn das Heiligtum an eine Torte oder an einen Kristall.
Denn im Grunde interessiert sich Brandl für visuelle Strukturen
und herzlich wenig für die Legenden und das Storyboard, für
den Berg als Persönlichkeit und Gegner, wie ihn etwa ein Bergsteiger
sieht. Und doch verbindet ihn einiges mit den Extremkletterern:
das Malen von spektakulären Großformaten bedeutet nicht
nur vergleichbare körperliche Anstrengung, sondern auch permanente
Bedrohung durch abrutschende Farbmassen und den Verlust eines sicheren
Standpunkts. Den Brandl bei der Suche nach seinen Sujets noch hat,
denn er findet sie beim Blättern in Geo-Heften und Reiseprospekten.
Was ihn fasziniert, ist das Abbild, nicht die Realität, und
es gelingt Überraschendes: nämlich dem medialen Bild,
dem Synonym für authentische Wirklichkeit, dem Bild, das Faszination,
Grandiosität und Einmaligkeit suggeriert, mit dem Traditional
Malerei die Aura des Besonderen auszutreiben. Denn ob heiliger
Berg, Kristall oder Torte, letztendlich bleibt alles Farbe auf
Leinwand, eine Frage der individuellen Interpretation und der Bereitschaft
zur Revision eingefahrener Wahrnehmungsmuster.
Seit etwa zwei Jahren malt Herbert Brandl die Klischeeberge dieser
Welt, vom Matterhorn bis zum Annapurna, die Sehnsuchtsformeln der
Alpinisten, die Kodak Points des Tourismus. Riesenformate, im Raum
installiert, die man durchwandert wie eine Landschaft. Das radikale
Großbild des Mt. Kailash packt Brandl in den kleinsten Raum
der Galerie. Bild und Raum als Widerspruch. Als Betrachter ist
man ganz nah dran: statt des schönen Fernblicks aus sicherer
Distanz die unwirtliche Felswand bedrohlich herangezoomt. Ein wenig
Rettung verspricht das entmaterialisierende Tageslicht. Wie kaum
ein anderes Motiv ist das Gebirge mit seiner Masse, seiner Morphologie,
mit den unabwägbaren Höhen, Schrägen und Tiefen,
mit seinen starken Schatten und dem grellen Licht geeignet, die
Möglichkeitsformen von Malerei zu testen, einen anderen Zugang
zu finden und, wie Herbert Brandl zu verstehen gibt, Distanz zur
abstrakten Malerei zu gewinnen. „Gleichsam im Inferno einer
trivialen Gegenständlichkeit sucht diese Malerei ihre Erlösung“ kommentiert
Peter Weibel Brandls malerische Versuchsanordnung zwischen Pathosformel
und Bildexperiment.
Brandl hat den Umstand zu malen immer mit einer kritischen Reflexion
des Mediums verbunden. Aus dem Fundamentalismus, der in der Repräsentation
steckt, werden neue Erfahrungen
gewonnen, auf die der Künstler zurückgreift, im Laufe
der Entwicklung seiner Arbeit. Deshalb stehen den Bergwirklichkeiten
auch neue Bilder gegenüber, die den Konventionen der Abstraktion
verpflichtet zu sein scheinen, allerdings nur insofern, als Brandl
sich eher mit Malweisen als Inhalten auseinandersetzt. Er arbeitet
mit den physikalischen Gegebenheiten der Farbe und malt ‚absichtslose’ Bilder.
Erst wenn alle Einfälle verschwunden, alle Ideen losgelassen
sind, sagt Brandl, wird es für ihn wieder interessant. Im
Gegensatz zur materiellen Schwere der Berge sind es leichte Arbeiten,
in aufgelösten Farbtönen, neuerdings mit einer Art Rahmen,
der durch das Anbringen von Klebestreifen am Bildrand entsteht.
Auf der einen Seite scheint die Materie der Farbe zu verschwinden,
dann aber ist die malerische Geste, das Einsschreiben der körperlichen
Bewegung ins Bild, zu bemerken und in jedem Fall die triumphale
Wiederkehr von Brandls expansiven Farbräumen. Wenn Gerhard
Richter sagte, er habe kein Motiv, sondern nur Motivation, so gilt
das auch für Herbert Brandl, der seine Malereipassion jedoch
mit einer soliden Portion Skeptizismus würzt.
Die Ausstellung in der Galerie nächst St. Stephan präsentiert
neue Bilder aus der Hexenküche Herbert Brandls, und sie führt
durch die beiden Spielhälften seiner Kunst, hinein in Vexierbilder
zwischen Abstraktion und Figuration. „Es ist eine Bewegung
zwischen den Spannungsfeldern“, sagt Herbert Brandl, „das
dominante Phänomen ist anscheinend doch, dass man an einem
Punkt steht, einen anderen sieht und sich dorthin begeben möchte“.
Brigitte Huck
HERBERT BRANDL
(geb. 1959 in Graz, lebt in Wien): Ausstellungen
u.a.: 1984 Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz; 1986 „Prospect
86“, Frankfurter Kunstverein, Frankfurt; 1989 XX Biennale
Sao Paolo; 1991 Museum van Hedendaagse Kunst, Gent; Kunsthalle
Bern; 1992 Dokumenta IX, Kassel; 1993 „Der zerbrochene Spiegel“,
Wien/Hamburg; 1994 Museum Haus Esters, Krefeld; 1998 Wiener Secession,
Wien; 2002 „Painting on the Move“, Kunstmuseum, Museum
für Gegenwartskunst, Kunsthalle Basel; Neue Galerie im Künstlerhaus
und Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz. |
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