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Photographien haben die Eigenschaft, sich im Innern fortzusetzen.
Sie tauchen auf und gehen, ganz nach Belieben, als führten
sie ein Eigenleben, das unabhängig vom menschlichen Willen
existiert. "Ich bewege mich in den Erinnerungen meiner vergangenen
Tage", schreibt die 45-jährige Berliner Photographin.
"Plötzlich halte ich ein Bild in der Hand, das ich längst
vergessen hatte. Es zeigt David, einen 6-jährigen Jungen, der
gerade mit einer Spielzeugpistole auf jemanden schießt. Im
Hintergrund die Plakatgesichter von Ernst Thälmann und Wilhelm
Pieck auf einer abgebröckelten Berliner Häuserfassade."
Das Photo entstand 1980.
Das Besondere an den Aufnahmen Gundula Schulze Eldowys ist neben
ihrer poetischen Dichte der Zeitpunkt. Sie entstanden nämlich
in den 70er - 80er Jahren, kurz vor dem Mauerfall. Es erstaunt zu
sehen, wie lange der Krieg anhielt. Wie schnell nach der Wiedervereinigung
auch das Berliner Milieu verschwand, jene Mischung aus Subkultur
und Arbeiterleben, die die Vitalität und Lebendigkeit der Stadt
ausmacht. Es sind Bilder von Verrat, Neid, Wahnsinn, Tod und Verzweiflung.
So sind es nicht nur die Kriegswunden, die einem auf den Photos
entgegentreten. Es ist die ganze Lebensart der Vergangenheit. Sofort
wird klar, was seit der Wende verloren gegangen ist: Sinnlichkeit,
Nähe, Vitalität, Direktheit, Witz, Gelassenheit, Lebenslust.
Hinter brüchigen Fassaden findet die Photographin eine Lebenskraft,
die zwischen Poesie und Improvisation hin und her schwankt. Keine
wohlerzogenen Gesten, keine Sterilität, kein Standard. Deutscher
Ordnungssinn hält hier nichts unter Kontrolle. Jeder macht,
was er will. Auch die Photographin. Sie nutzt die Freiräume
und zieht von 1977 bis 1987 täglich durch die Straßen.
Sie trifft Menschen, die von der Vergangenheit geprägt sind
und ihr eine Menge zu erzählen haben. Sie photographiert, aber
sie schreibt auch auf. Geschichten, wie "Guten Morgen, hast
du gut geschlafen?", geben die Sicht von innen wieder. Die
Photographin ist keine Beobachterin, sie steht mitten im Geschehen.
Das spürt der Leser und Betrachter sofort. Die Bilder von "Berlin.
In einer Hundenacht" ergreifen, berühren. Daneben zeigt
die Ausstellung vier weitere photographische Zyklen: "Tamerlan"
(1979-87), "Aktportraits" (1983-86), "Arbeit"
sowie die Serie "Straßenbild" (1980-90).
Es ist die Intensität, die diesen Photos ihren besonderen
Charakter verleiht, sie weit über einen dokumentarischen Anspruch
hinaus erhebt. Bilder, die durch und durch gehen und die man nicht
vergißt.
Einem kleinen Kreis privater Förderer und Freunden war es
zu verdanken, daß diese Arbeiten im Frühjahr 2000 im
Berliner Postfuhramt erstmals zusammenhängend zu sehen waren.
Das überwältigende Presse- und Besucherecho dieser Ausstellung
bestätigt das gegenwärtig starke Interesse an Dokumentarphotographie.
Offenbar tragen auch die steigenden Preise des Kunsthandels diesem
Trend Rechnung.
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