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Tracing Abstract - Abstrakte Spuren


 NÖ Dokumentationszentrum
 09.05. - 14.06.2009

Vernissage: am Freitag, den 8. Mai 2009, um 17:00 Uhr
Begrüßung: Prof. Mag. Erich Steininger Präsident des Landesverbandes der NÖ Kunstvereine
Einführung: Mag. Florian Steininger Bank Austria Kunstforum
Eröffnung: Mag. Matthias Stadler Bürgermeister von St. Pölten



Die Ausstellung Tracing Abstract – Abstrakte Spuren im NÖ DOK soll den vielfältigen Ausdrucksweisen der ungegenständlichen „Spur“ des Künstlers nachgehen. Die ausgewählten Positionen umfassen die Medien Malerei, Zeichnung und Objekt, und präsentieren vor allem den Arbeitsvorgang per se – den Pinselstrich, die Spachtelspur, die geronnene Farbe und die gezogene Linie mit dem Stift. Hierbei spielt neben der formalen Bestimmung der „Spur“ auf dem Bildträger als kompositorisch-piktorialer Teil eines größeren Ganzen der Faktor Zeit eine erhebliche Rolle (etwa bei Hubert Scheibl, Franco Kappl): das Einschreiben der Aktion auf der Fläche, die Markierung des Malers und Zeichners. In Josef Trattners Weinbildern lenkt der Künstler bewusst den Fluss des Weines auf das Papier und schafft sinnliche Kompositionen. In den konzeptionellen Beiträgen wird die persönliche Markierung zugunsten eines antiauktorialen Werkkonzepts negiert, wenn etwa Patrick Schmierer den Farbfluss mit Hilfe der Schwerkraft steuert, wenn Ulrike Stubenböck meditativ-diszipliniert den Spachtelzug auf der Leinwand wiederholt, oder wenn Josef Schwaiger die Farben selbst miteinander vermischen lässt. Markus Hofers scheinbar unachtsam ausgeschüttete Farbe aus der Dose, die sich auf dem Boden ergießt, zeigt sich als eine verführerisch ironische Intervention in situ.

Franco Kappls aktuelle Bilder zeugen von einem Richtungswandel, einer neuen Initialzündung in seiner malerischen Entwicklung. Er vergleicht es ein wenig mit rockigen Tönen, die auf eine sanfte, leicht lyrische Grundstimmung treffen – Expressive Wucht mit malerischer Sensibilität im Dialog. Der Künstler hat grafische Fährten im schmutzigen Weiß auf die rauchig erdigen Farbebenen geschleudert, wie kreischend rockige Beats mit sonorigem Bass im Hintergrund, voller Elan: Eine Zelebrierung der Geste, einen Hymnus auf die „Malerpranke“. Bereits 1991 schrieb der Maler: „Die Entscheidung für die Kunst lässt sich am ehesten aus der Sehnsucht nach Freiraum, den sie bietet, aus der Lust auf höchst originelle und authentische Positionen in diesem Freiraum erklären. Die gestisch-abstrakte Malerei erscheint mir als die beste Kombination aus manueller Arbeit, gestalterischem Erfindungsdrang, sowie saftigen Materialschlachten und der absurden Situation, sich mit dem Problem beschäftigen zu können, die man selbst erst konstruieren muss.“

In den letzten Jahren hat sich Hubert Scheibl in seiner Malerei vermehrt der grafischen Geste verschrieben. Entwickelt aus den großformatigen Arbeiten auf Papier, kombiniert der Künstler die ausladenden eruptiven Kratzer mit den malerischen Bildgründen. Die indexikalischen Spuren schweben dynamisch in den Tiefen des Bildraums oder wirken wie Kratzer auf Wandflächen. In manchen Arbeiten mutieren die expressiven Züge zu floralen Elementen wie Blättern oder Gräsern, die dem Gemälde einen vegetabilen Charakter verleihen, unterstrichen durch das grün-weiße Kolorit; manchmal fällt die Farbe sinnlich bunt und strahlend aus. Somit changiert die Linie in Scheibls Werk zwischen Bezeichnendem, also dem Motivischen und Ikonischen verpflichtet, und dem Indexikalischen, dem abstrakt Strukturellen. In Letzterem ist die Zeit eingeschrieben. Der Betrachter liest regelrecht den Verlauf der Linienführung, er kann der „Einschreibung“ des Künstlers, seinen beschriebenen Weg mit dem Auge nachgehen.

Josef Trattners seit 2005 kontinuierlich gewachsenes Werk der getropften Weinbilder ist sowohl als Konglomerat abstrakter Bilder voll sinnlicher Ästhetik als auch als Teil eines „aktionistischen“ gesellschaftskommunikativen Ganzen zu verstehen. Trattners Malwerkzeug ist die Flasche, die Farbe das gekelterte Substrat der reifen Weintrauben aus Gols, der Toskana, aus Bordeaux und dem Piemont. Behutsam beträufelt der Künstler das Weiß des auf den Boden ausgebreiteten Papiers. Inseln von Weinflecken verdichten, verdunkeln sich, greifen ineinander und bilden ein feines rhythmisches Netz über die gesamte Fläche. Trattners Malprozess ist stets behutsam und gezielt eingesetzt. In den aktuellen Arbeiten tendiert der Künstler intensiver die Geste einzusetzen, was den Blättern Kraft und Monumentalität verleiht.

Analytische Sachlichkeit und sinnlicher Kolorit und Materie bestimmen Ulrike Stubenböcks abstrakte Gemälde, die sie mit gleichmäßigen Spachtelspuren auf die Leinwand strukturiert. Das Grundieren, der eigentliche Malvorgang und das Hängekonzept sind gleichberechtigte essenzielle Teile, die die Summe ihres Malereibegriffs definieren. Auf die Leinwand schichtet die Künstlerin zunächst weißen Halbkreidegrund, den sie mit einer Untermalung aus Ölfarbe abdeckt. Anschließend streicht sie drei Grundfarben mit der Spachtel horizontal auf die vorbereitete Leinwand; aus den zuvor noch unvermischten pastosen Farbzonen entstehen nun durch das gleichmäßige rhythmische Bewegen des Rakels malerische Verzahnungen und Überdeckungen von koloristisch subtil durchmischten Bereichen.  Stets befinden wir uns mitten in der Malerei. Die Peinture pure, das „Malerische“ par excellence nimmt hierbei eine Schlüsselrolle ein. Diese malerische Strahlkraft ist in Stubenböcks Gemälden immanent – ein geheimnisvolles hintergründiges Leuchten, das uns in die Tiefen der Malerei führt.

Josef Schwaigers Bezugsfeld in der Malerei liegt nicht im naturalistisch Mimetischen, sondern im Prozesshaften, im ständigen Wandel des Organismus Malerei. Schwaigers Ausgangssituation beim Malen an den Leinwänden ist stets konstant: sechs unterschiedliche Farben (Acrylharz und Pigment) werden streng in Bahnen aneinandergereiht und in Flussrichtung auf die Leinwand aufgetragen. Im Anschluss verreibt der Maler mit seinen Fingern die geronnenen Farbspuren und bringt einen hoch komplexen kaum Transformationsvorgang in Gang mit einem schillernden Spektrum an Bildlösungen.
Vor so manchen Gemälden zeigt sich der Betrachter reizüberflutet. Irisierende Bildzonen treten auf, wie flimmernde Flecken auf der Netzhaut. Das Bild als eigenständiges, sich behauptendes Medium, anstelle eines für wohltuende impressionistische Effekte dienendes Geviert.

Patrick Schmierers künstlerisches Werk zeigt sich analytisch bestimmt. Mit Präzision und konkreter Planung geht der Maler ans Werk, ausgestattet mit Plastikspritzen, die mit unterschiedlichen Farben aus Acryllack gefüllt sind. Den Bild- oder Farbträger bereitet Schmierer in der Weise vor, dass er den Verlauf der Farbe durchaus vorhersehen kann, einem physikalischen Experiment ähnlich. So baut etwa der Künstler Barrieren ein, die den Fluss der Farbe unterbrechen oder umleiten, oder er repetiert in Form von Streifenstrukturen oder Rastern den Malvorgang, der sich stets als ein konzentriert antiauktorialer zeigt, kein gestisches Spritzen; die persönliche Handschrift spielt eine untergeordnete Rolle.

Markus Hofer hat für die Ausstellung eine eigene raumbezogene Arbeit geschaffen. Der Ort und seine bauliche Struktur ist Auslöser für seine Interventionen. Dabei gaben die markanten Gesimse des gewölbten Ausstellungsraums den Ausschlag. Hofer hat eine Farblackdose im offenen, gekippten Zustand auf der Gesimskante postiert: der Farbstrom ergießt sich über den Fußboden. Man hat den Eindruck, als würde man gerade in diesem Moment Zeuge des Missgeschicks werden. Neben der ironischen Dimension des in-situ-Objekts spielt eine malerisch-koloristische Qualität eine erhebliche Rolle. Die Fakes der geronnenen Farbe – modellierte Spachtelmasse und Metall mit dem Readymade oder der realen räumlichen bzw. baulichen Situation verbunden – sind bereits zu einer Konstante in Markus Hofers künstlerischem Schaffen geworden: monochrome Farbströme rinnen aus Boilern, Steckdosen, Stadtbrunnen und aus Farbdosen. Hofers Farbergüsse sind ohne auktorialen künstlerischen Duktus, ihre Spuren legen der geplante Zufall/Unfall sowie die Situation vor Ort.


Hubert Scheibl, "Dave...", 2008/09, 120 x 100 cm, Öl auf Leinwand, Courtesy the Artist