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SÜHNE

Eine Gemeinschaftsausstellung von Monika Helfer und Sabine Morgenstern

 Galerie Lisi Hämmerle
 13.03. - 12.05.2021

Start der Ausstellung Freitag, 12. März 2021, 15 – 19 Uhr in Anwesenheit der beiden Künstlerinnen



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Monika Helfer & Sabine Morgenstern, Folterkleid, 2019/2020, Installation, Strickkleid, Bitumen, Baustahl, Draht, Fäden, 140 cm hoch, 48 cm breit, Foto: Morgenstern

„Als wären die Geister erzürnt und müssten sich durch ein Labyrinth von Verzweiflung und Elend kämpfen, als müssten sie dort andocken, wo die Angst am tiefsten sitzt. Das ist dort, wo sich herausstellt, dass die Hülle alles ist, dass im Inneren nichts weiter erwartet werden kann. Wenn die Oberfläche alles ist, kann dies aber auch ein Trost sein: Wir können alles sehen, riechen, hören, schmecken, tasten. Die Dinge wollen, dass wir unsere Sinne anstrengen. Wer immer nur hinter die Dinge schauen möchte, der ist faul und egoistisch, er wird hinter den Dingen immer nur sich selbst finden – als ein dürres Gerüst.“ Monika Helfer

In diesem Licht präsentiert sich die Gemeinschaftsausstellung in der Galerie Lisi Hämmerle unter dem Titel Sühne von Monika Helfer und Sabine Morgenstern: "die eine filigran und scheu, die andere mit dem Daumen auf der Wunde. Zusammen erzählt eine Geschichte von Innen und Außen, Selbst-vergessenheit und Träumerei", Monika Helfer. Gestartet wird am Freitag, den 12. März 2021. Monika Helfer und Sabine Morgenstern werden in der Zeit von 15 bis 19 Uhr anwesend sein und für Gespräche zur Ver-fügung stehen. Monika Helfer wird auch Texte, die sie für ihre Hemdfragmente geschrieben hat, vorlesen.

Die Schriftstellerin Monika Helfer und die Fotografin Sabine Morgenstern sind seit vielen Jahren miteinander ver-bunden und tauschen sich immer wieder aus. Ihre gemeinsame Schnittstelle ist die Kunst. Das was die beiden Frauen miteinander verbindet, ist ihr empathischer Zugang zur Welt, den Dingen und den Menschen und ihre Leidenschaft zu Archiven, die für Beide wichtige Inspirationsquellen darstellen. Monika Helfer wächst dank ihres Vaters mit einer großartigen, breitgefächerten Bibliothek auf – die geschriebenen Worte werden für sie zum Nahrungsmittel und Lebenselexier. Sabine Morgenstern entdeckt noch während ihrer Schulzeit ihr Interesse an der Fotografie und beginnt mit dem Kauf von Fotobüchern. Heute beinhaltet ihre Kunst- und Fotobücher-Bibliothek einige Meter ihres Wohnzimmers. Ihr Fotoarchiv, das in den letzten 30 Jahren entstanden ist, tausende Fotoarbeiten. Sie sind heute bedeutende Impulsgeber für neue künstlerische Ansätze. 1999 erscheint Sabine Morgensterns Fotobuch Maskiert als Mensch mit Texten von Monika Helfer. Nun laden Monika Helfer und Sabine Morgenstern in ihrer ersten Gemeinschaftsausstellung auf eine Reise durch ihre inneren und äußeren Welten ein.

Zusehen sind Einzelwerke der beiden KünstlerInnen und die Installation Folterkleid (2019/2020), eine der Ge-meinschaftsarbeiten, die eigens für die Ausstellung in der Galerie Lisi Hämmerle entstanden sind. Das Folterkleid, in das Monika Helfer und Sabine Morgenstern einige Kilo Bitumen eingearbeitet haben steht im Hauptraum der Galerie. Von der Decke hängend, von Eisenstäben durchbohrt und von Schnüren geknebelt steht für den Schmerz, die Angst, die Erniedrigungen und die Übergriffe denen Menschen ausgesetzt sind. Bei genauerer Betrachtung scheint es fasst so, als wäre das eigene Leid oft so heftig, dass es wie „Pech“ an einem klebt und man mit ihm auf ewig verbunden bleibt.

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Sabine Morgenstern, Texti-Fotoskulptur 2, 2019/2020, Fotografie, Seidenpapier und Fäden , 65 cm hoch, 48 cm breit, Foto: Sabine Morgenstern

LEERE TABLETTENPACKUNGEN UND HEMDFRAGMENTE

Die Schriftstellerei hat sich Monika Helfer zu ihrer Haupttätigkeit auserkoren. Mit ihrem Roman Bagage gelingt ihr 2020 der Sprung in die deutschsprachigen Bestsellerlisten. Fast zeitgleich, ein Jahr später, landet sie mit ihrem Roman Vati, der kürzlich erschienen ist, einen weiteren Bestseller. Seit ihrem 20. Lebensjahr schreibt Monika Helfer, die bildende Kunst ist ein weiteres Ausdrucksmittel, wenn es darum geht, sich mit den eigenen Lebensgeschichten auseinanderzusetzen. Wie ein Faden ziehen sich ihre Lebensgeschichten, in denen Bio-grafie und Fiktion miteinander verweben durch ihr schriftstellerisches und künstlerisches Werk. Objects trouvé – Gegenstände aus dem täglichen Leben und der Natur, die sie findet und die immer auch mit persönlichen Erlebnissen verbunden sind, sind Ausgangsbasis für ihre Kunstobjekte, Collagen und Installationen, die über die Jahre entstehen. Durch Verfremdung der Gegenstände – Neukombination, Zerlegung, farbliche Veränderung und Integration von Textpassagen bis hin zu Kurzgeschichten – entkleidet und enthüllt sie die Dinge ihres ur-sprünglichen Funktions- und Bedeutungszusammenhang und kreiert neue Sinnbilder. 

Die Pietà Das Tablettenpaar (2019/2020) besteht aus unzähligen leeren Tablettenhülsen von verabreichten Medikamenten. Das Motiv der Pietà ist in der Bildhauerkunst seit dem frühen 14. Jahrhundert gebräuchlich. Der frömmigkeits-geschichtliche Ursprung ist in der verstärkten Hinwendung zum Leiden Christi am Kreuz und des Mitleidens seiner Mutter mit ihrem Sohn zu sehen. Monika Helfer transferiert das Motiv der Pietà in die Jetztzeit und visualisiert das Mitleiden der Mutter mit ihrem Kind durch die Verwendung von leeren Medikamenten-packungen, die sie über einen langen Zeitraum gesammelt hat. Ebenfalls gezeigt werden ausgewählte Hemd-fragmente – entstanden in den letzten Monaten – für deren Rückseite Monika Helfer eigene Kurzgeschichten verfasst hat.

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Monika Helfer, Das Tablettenpaar, 2020/2021, Leere Tablettenhülsen von eingenommenen Medikamenten, Pietà, Foto: Sabine Morgenstern

TEXTIL-FOTOSKULPTUREN

Seit 1997 ist Sabine Morgenstern als Fotografin tätig. Ihre Fotoarbeiten waren bereits in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen national und international zu sehen. Die eigentliche Liebe und Leidenschaft zur Fotografie weckt der amerikanische Fotograf Walker Evans (1903–1975) schon in Jugendjahren bei Morgenstern und im Lauf der Zeit wird das Fotografieren immer mehr zum Ausdrucksmedium und eigentlichen Lebensinhalt. Die amerikanische Künstlerin Roni Horn (*1955) mit ihrem dialektischen Denken und der rumänisch-französische Bildhauer der Moderne und Fotograf Constantin Brâncuşi (1876–1957) sind zwei weitere Vorbilder für die Fotografin. „Die amerikanische Art des Fotografierens aber, die Art des Sehens, wie uns Walker Evans die Menschen und die Welt mit seinen Blicken durch die Kamera vermittelt, spiegelt, meine Art des fotografischen Denkens mehr als alles andere.“ kommentiert Sabine Morgenstern ihre künstlerische Herangehensweise, bei der das Thema „Resonanz“ eine elementare Rolle spielt und Lebensthema geworden ist.

In den letzten Jahren hat Sabine Morgenstern begonnen ihr 30 Jahre gewachsenes Fotoarchiv zu bearbeiten. Aus der Beschäftigung mit dem eigenen fotografischen Werk entstehen neue inhaltliche Zugänge und Arbeiten. „Es sind neue künstlerische Ordnungen meiner Fotoarbeiten. Ein Ordnen nach sinnlich-affektiven oder ästhetischen Qualitäten der Bilder nach der Bearbeitung zu Assemblagen. Das Verändern der Fotografien durch Übermalen, Übersticken, Überlagern und Überzeichnen enthebt die Arbeiten aus ihrer ursprünglichen Zugehörigkeit zu neuen Zusammenstellungen. Basierend auf freien Assoziationen anstatt auf inhaltlich klassifikatorischen Ordnungen wie es bei den „Ordnungen“ der reinen Fotoarbeiten der Fall ist. Ich bin die „Entbergerin“ von Vergessenem; auf die Seite gelegtem meines eigenen Archivs. Somit wird mein Archiv an Fotomaterialien vom passiven Speicher zum immerwährend veränderbaren Erfahrungsraum visueller Erzählungen.“ In der Ausstellung sind auch ausgewählte Textil-Fotoskulpturen, wie die Künstlerin ihre neuen Arbeiten bezeichnet, aus denen Jahren 2019/2020 zu sehen.

MONIKA HELFER (*18. Oktober 1947 in Au/Bregenzer Wald, Vorarlberg). Seit Ende der 1960er Jahre ver-öffentlicht sie zahlreiche Romane, Erzählungen, Drehbücher, Hörspiele, Theaterstücke und Kinderbücher. Für ihre literarischen Werke hat sie zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Monika Helfer lebt und arbeitet in Hohenems.

SABINE MORGENSTERN (*24. Mai 1967 in Bruck an der Mur, Steiermark) Seit 1997 sind ihre Werke in zahlreichen Ausstellungen und im Rahmen von Ausstellungsbeteiligungen national und international zu sehen. Sabine Morgenstern lebt und arbeitet seit ihrem 19. Lebensjahr in Bregenz am Bodensee.