Art & Language ist eine der wenigen programmatisch orientierten
Künstlergruppen nach 1945. Sie unterscheidet sich von
zweckorientierten Künstlervereinigungen. Sie entstehen,
wenn Künstler die Kollaboration mit Kollegen suchen,
um eigene Position auf der Suche nach Ausstellungsmöglichkeiten
verbessern zu können. Diese Künstlergruppen brechen
auseinander sobald einzelne Mitglieder Galeristen finden.
Art & Language ist die einzige Künstlergruppe, die
primär kunsttheoretisch arbeitet und in Ausstellungen
Texte und Modelle präsentiert, die den jeweiligen Stand
der gruppeninternen Diskussion zusammenfassen. Die Ausdifferenzierung
des theoretischen Ansatzes steht im Vordergrund, nicht -
wie in Künstlergruppen der klassischen Avantgarde -
die programmatische Legitimation einer Kunstproduktion.
" Wer Bilder macht, akzeptiert, akzeptiert das Wesen
der Kunst, ohne danach zu fragen". So formulierte Joseph
Kosuth, amerikanischer Korrespondent von Art & Language,
der gleichnamigen Künstlergruppe, Ende der sechziger
Jahre die grundlegende Skepsis gegenüber den traditionellen
Kunstformen als Triebfeder der Intentionen, den künstlerischen
Prozess zu intellektualisieren und in Sprache zu fassen.
Diesen Prozess selbst betrachtete die zeitweise über
35 Mitglieder zählende Gruppe primär als Diskurs über
dessen kulturelle und intellektuelle Grundlagen, formuliert
als Überlagerung von Sprach-Analyse und Kunst-Analyse.
Seine Ergebnisse wurden als Karteikästen mit Registern
präsentiert oder in der eigenen Zeitschrift publiziert.
Die ersten Kollaborationen zukünftiger Mitglieder
von Art & Language ergeben sich Ende 1966: Terry Atkinson
und Michael Baldwin schreiben in diesem Jahr erste Texte,
in denen sie sich mit Aspekten analytischer Philosophie auseinandersetzen.
Zudem entstehen 1966 erste Zeichnungen in Form von Diagrammen,
die sich als Beispiele für die Argumentation in ihren
Texten lesen lassen, und Blow Ups (Fotovergrößerung)
von Texten, die Argumente in kurzer Form vorstellen.
Ian Burn und Mel Ramsden konzipieren 1966 "Soft Tape",
das eine Kombination einer gerade noch hörbaren Stimme
auf Tonband mit einer Texttafel vorschlägt. Beide Texte
für "Soft Tape" reflektieren ihre Präsentationsform
im Kontext etablierter Kunsttheorien und -gattungen. Die
Texte wenden sich direkt an Ausstellungsbesucher und fordern
sie zur Auseinandersetzung mit dem Verhältnis Werk-Beobachter
heraus. Dasselbe gilt für "Print (2 sections A
and B)" von Atkinson und Baldwin, der im gleichen Jahr
entstand: Ein Text, der wie andere flache rechteckige Ausstellungsobjekte
aufzuhängen ist, fragt danach, ob ihn das "piece
of paper", das die Textzeichen trägt, bereits zum
Kunstgegenstand macht. In beiden Fällen ergibt sich
aus der kritischen Reflexion über etablierte Kunsttheorien
sowie über museale Präsentationsumstände ein
impliziter Apell an Rezipienten, eine kritische Haltung zu
Vorgaben des Kunstbetriebs einzunehmen.
Im Mai 1968 gründen Atkinson, Baldwin, David Bainbridge
und Harold Hurrell die Art & Language Press, die Texte
in limitierter Auflage und signiert ediert. Ein Jahr später,
im Mai 1969, erscheint die erste Ausgabe der Zeitschrift "Art-Language".
Ab der zweiten Nummer (Februar 1970) erscheinen in "Art-Language" auch
Texte der New Yorker Künstler Ian Burn und Mel Ramsden.
Bis 1970 konzentriert sich der Diskurs der Mitglieder von
Art & Language auf die Problematisierung der Prämissen
künstlerischer Praxis, die die Voraussetzung für
das im Kunstbetrieb etablierte Zusammenspiel zwischen Kunstkritik,
Museen und Galerien bilden. In diesem Zusammenspiel wird
der Status von Werken als Sammlerobjekte zum Nachteil ihrer
provokativen Wirkung als Diskussionsanlass gefördert.
So wird eine Konzeptualisierung marginalisiert, die mit dem
transportablen Sammlerobjekt für visuelle Wahrnehmung
auch das tradierte Werkverständnis transgrediert.
Seit 1971 liefern Rekonstruktionen von Geschichten der
Forschung und ihrer Institutionalisierung, wie sie die "Philosophy
of Science" liefert, den Mitgliedern von Art & Language
Anlässe für Erneuerungen der methodischen Grundlagen
ihrer kollaborativen "theoretischen Praxis" und
ihrer Kritik des Kunstbetriebs. Neben der englischen Gruppe
(A & L UK) entwickelt eine New Yorker Gruppe (A & L
NY) zwischen 1972 und 1976 eine Eigendynamik mit zunehmend
mehr Mitgliedern.
Die Zahl der amerikanischen Mitglieder steigt bis zur Auflösung
1976 ständig. Von zuletzt 15 Mitgliedern sind namentlich
von 10 Beiträge in der Zeitschrift "The Fox" erschienen
(Andrew Menard und Ron White sind zwei Namen eines Autors). "The
Fox" wird von Sarah Charlesworth finanziert und von
Joseph Kosuth herausgegeben. Die Redaktionsarbeit der drei
1975-76 realisierten Nummern teilen sich Mitglieder aus dem
engeren Kreis von Art &Language: Ian Burn, Mel und Paula
Ramsden.
Seit 1977 arbeiten Michael Baldwin und Mel Ramsden in Banbury
zusammen. Es entstand ein inzwischen umfangreiches Oeuvre
an Bildern. Einige Texte werden mit Charles Harrison geschrieben,
der seit 1971 "Art-Language" herausgibt. Die selbst
gestellte Aufgabe der Gruppe, kunst- und kunstkontextreflexive
Kunst im Kunstkontext zu präsentieren, hat sich nicht
geändert - der Anteil des Sichtbaren gegenüber
dem Lesbaren hat sich allerdings erheblich erhöht.
Neben zahlreichen Personalen nimmt ‚Art & Language’ an
wichtigen Gruppenausstellungen teil, darunter an den ‚Documentas’ V,
VII und X, sowie 1976 an der Biennale Venedig.
Im Kunstraum Wien findet 1995 das Symposium ‚Art & Language & Luhmann’ statt,
das 2000 eine Fortsetzung unter dem Titel ‚Art & Language & Luhmann
No. 2’ im ZKM in Karlsruhe findet. Im Rahmen des Symposiums
in Karlsruhe wird das Projekt ‚Blurting in A & L
online’ vorgestellt, das Thomas Dreher in enger Zusammenarbeit
mit dem ZKM | Institut für Netzentwicklung und in Abstimmung
mit der Künstlergruppe realisiert hat.
Die Website von Art & Language ist in die Website des
ZKM (Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe)
integriert und präsentiert das Lexikon »Blurting
in A & L« (1973) als Online-Version, da eine Übertragung
in einen Hypertext plausibel ist: Michael Corris und Mel
Ramsden notierten Verbindungen zwischen 408 Einträ gen/Anmerkungen/Blurts,
die von ihnen und von anderen Mitgliedern von Art & Language
(Ian Burn, Preston Heller, Andrew Menard und Terry Smith)
geschrieben wurden. Die Verbindungen können jetzt als
Links zwischen Webseiten wiedergegeben werden. 2002 wird
im ‚Musée d’art modern de Lille Métropole’ in
Villeneuve d’Ascq unter dem Titel too dark to read.
Motifs rétrospectifs 2002-1965’eine große
Retrospektive gezeigt, in der das Schaffen von ‚Art & Language’ beleuchtet
und in deren Zusammenhang ein umfassender Katalog mit CD-Rom
erscheint.
Index:Wrongs Healed in Official Hope, 1998-99
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