Ort: Benger Areal, Mehrerauerstraße 3-5, 1. Stock über
dem Shop, A-6900 Bregenz
Die Ausstellung "Berlin - Binnendifferenz" bietet erstmalig
in Österreich einen konzentrierten Überblick über
die junge Berliner Kunstszene.
Berlin hat sich in den letzten Jahren als das neue Kunstzentrum
Deutschlands etabliert. Der Ort Berlin hat einen Sonderstatus, da
viele internationale Künstler die Stadt als temporären
Wohn - und Arbeitsplatz wählen und somit wesentlich zur Vitalität
der Szene beitragen. Bemerkenswert ist, daß sich so eine extrem
heterogene Szene gebildet hat, in der die Malerei wieder eine wichtige
Rolle spielt. Wir halten es daher für sehr wichtig diese Entwicklung
in Österreich zu präsentieren.
Kultfiguren des POP wie Chris Mayfield, The Beatles oder David
Bowie bevölkern die Bilder des Künstlerduos Maike Abetz
( *1970) und Oliver Drescher (*1969).
Musik wird hier zu Malerei, die mit eigenen Mitteln die Welt repräsentiert,
die Symbolcharakter hat. Abetz und Drescher, die beide zur ersten
Fernsehgeneration gehören, reflektieren in ihren Arbeiten die
medientechnologische Entwicklung und die damit verbundene Geschichte
der Kunst des 20. Jahrhunderts.
Einen Sonderstatus nimmt die Akademie Isotrop, die 1996
in Hamburg von ca. 20 Künstlern gegründet wurde, in Berlin
jedoch sehr präsent ist, für diese Ausstellung ein. Im
Gegensatz zu den sonst in der Ausstellung vetretenen Einzelpositionen,
ist die Akademie Isotrop eine autonom-organisierte Kunstschule,
die Ausstellungen, Vorträge, Konzerte, Kongresse veranstaltet.
Sie führt Seminare durch, gibt die Zeitschrift "Isotrop"
heraus und betreibt die Galerie "Nomadenoase" im Golden
Pudel Club/St. Pauli. Die Installlation der Akademie in der Galerie
Krinzinger umfaßt Gemälde, Skulpturen, Video, Zeichnungen,
Fotografien, etc. Der historische und soziale Rahmen der kollektiven
Inszenierung von Kunstwerken thematisiert das individuell produzierte
Werk als Ware.
Fischer/ el Sani (*1965/1966), ein Künstlerduo, das
seit 1993 zusammenarbeitet, beschäftigt sich in ihren Videoarbeit
mit dem Nichtsichtbaren als in " Tokyo (sur)face - 10 Sekunden
an die Zukunft denken" sind 20 japanische Jugendliche, die
frontal in die Kamera blicken und sich auf den unbekannten Film
hinter ihrer Stirn konzentrieren. Die Handlungslosigkeit der Einstellungen
macht es dem Betrachter möglich, tatsächlich zehn Sekunden
lang in ein fremdes Gesicht zu blicken und dessen Vorstellung zu
imaginieren, bis schließlich das unmerklich aufsteigende Denken
an die eigene Zukunft die Wahrnehmung des anderen überlagert.
Dieses subtile und lautlose Modell einer Begegnung steht paradigmatisch
für die Arbeitsweise von Nina Fischer und Maroan el Sani; sowohl
das Nichtsichtbare, als auch sein Austausch markieren Versenkungsgebiete
ihrer Forschungen und fordern gerade dadurch immer wieder neue Visualisierungen
heraus.
Thilo Heinzmann (*1969) bezeichnet sich selbst als Maler,
als Maler und nichts als ein Maler. In der Wiener Ausstellung zeigt
er eine großformatige Arbeit, die sich durch ihre schwarzfarbige
Lackkomposition auf Styropor auszeichnet. Dieses radikale Suchen
nach neuen Möglichkeiten der Malerei, zeigt sich auch in den
beiden kleineren Arbeiten auf Papier, in denen er Layoutframes der
Bildzeitung, jener der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gegenüberstellt.
Die so gefundenen rechteckigen Grundformen sind für ihn Ausgangsmaterial
für diese Arbeiten, in einem anderen Zyklus benützt er
Aufnahmen des Habbel-Weltraumteleskops, um diese in seine collageartigen
Arbeiten zu integrieren.
Christian Jankowski (*1968) lud für sein Video Projekt
Create Problems fünf Wolfsburger Paare ein, im Dolly-Buster-Studio
in Dortmund Anfänge von Pornofilmen nachzuspielen, um daraufhin
einige Beziehungsprobleme vor der Kamera ohne feste Anweisung auszuagieren.
Die Paare wählen zuvor eines der 20 möblierten Sets mit
der dazupassenden Anfangsgeschichte aus, vom Krankenhausambiente
bis zum eleganten Klavierzimmer. An dem Punkt, an dem in einem gewöhnlichen
Porno die Anfangsgeschichte, mit ihren offensichtlichen Anspielungen,
in Pornographie übergeht, entwickelt sich in Create Problems,
jedoch plötzlich ein Konflikt zwischen Frau und Mann, der sich
mehr und mehr zuspitzt und seine Streitthemen in der gemeinsamen
Vergangenheit des betreffenden Paares findet. Dr. Fritz B. Simon,
ein systemischer Paar- und Familientherapeut aus Heidelberg, kommentiert
knapp die Problematik jeder Szene. Er begibt sich dazu jeweils in
das Set, das sich das Paar zuvor für ihre Geschichte ausgesucht
hat und erscheint selbst in einer Rolle zwischen Therapeut, Showmaster
und Regisseur. Aufgenommen und produziert wurde Create Problems
von professionellen Kameraleuten, Fotografen, Cuttern und Filmmusikern
aus dem Pornobetrieb.
Johannes Kahrs (* 1965) arbeitet mit Bildern, die er entdeckt
hat und die voller offener Möglichkeiten sind. Es sind Bilder
großer Gefühle, Bilder, die in den Medien, in der Geschichte
des Kinos vorkommen.
"Bühnen" auf Podeste sind für ihn künstliche
Räume, in denen die Konstellation Bild, Bühne, Ton und
Licht von besonderer Bedeutung ist. Immer wird der Betrachter in
die Raum - Bildsituation mit eingebunden. Für die Arbeit "Lovers"
sind kurze akustische Ausschnitte von Filmen von Antonionis "L'
Avventura", über Bergmans "The Silence" zu Polanskis
"The Tenant", Scorseses "Taxi Driver" und anderen,
von einem Lied von Paul Anka "Don' t ever leave me" und
einem aus Mozarts Zauberflöte "Das Bildnis ist bezaubernd
schön" zusammen montiert.
Das ganze Spektrum der Liebe, Freude, Lust, Trauer, Schmerz und
Wut wird akustisch vorgeführt, durch die eigene Perspektive
der Töne entstehen nahe Räume der Intimität oder
der Gewalt und ferne Räume der Trennung. Die Geschwindigkeiten
und Lautstärken verbinden sich zu einem abstrakten Rythmus.
Durch diese Bearbeitung werden die Bilder artifiziell und formalisiert,
die Bildinhalte dadurch aber auch deutlicher, intensiver - ohne
wirklich anwesend zu sein.
Die Energie, die von Jukka Korkeilas (*1968) Malerei ausgeht,
ihre Zugkraft und Ausdrucksstärke beruhen auf der nahezu einzigartigen
Weise, wie er zwei malerische Grundelemente zusammenführt:
farbige abstrakte Leinwände und Figuratives. Korkeila zerreißt
das Bild in tausend Stücke und Details. Er füllt die Leinwand
mit multiplen Impulsen und Zitaten. Eines der zentralsten, sich
häufig wiederholenden Themen ist der Archetyp "Mann",
der in den Werken als eine Art Anti-Held in Erscheinung tritt. Es
ist ein Mann, dessen Physis in diesem Fall dem allgemein akzeptierten
und angestrebten Ideal von Körperlichkeit widerspricht. Ein
solch anarchistischer unfd befreiender Bezug zu den vorherrschenden
Schönheisstandard impliziert im Klartext Adjektive wie fett,
schwitzend und behaart - ein Spiegelbild, das wir wohl öfter
von uns haben, als wir es zugeben mögen.
Ordnung und Unordnung, Chaos und System - genau das sind die Pole
zwischen denen Jonathan Meeses (*1813 geboren in Bayreuth)
pseudo-privates Universum aufgehängt ist. Der ironische Selbstdarsteller
bekennt sich als Jäger und Sammler, noch lieber als Räuber
Hotzenplotz. Er jagt und raubt manisch zusammen, was unsere Alltagskultur
ausspuckt, vergißt und liegen läßt. Leben und Kunst
finden so bei Meese zu einer neuen Identität: Bereits als Student
tat sich Meese durch seine imense Sammelleidenschaft hervor, bevor
er sich schließlich als künstlerischer Sachverwalter
seiner gesammelten "Lieblinge" im Kunstbetrieb durchsetzen
konnte. Für die Wiener Ausstellung gestaltete er gemeinsam
mit der Akademie Isotrop rund um sein "Forsthaus" eine
raumfüllende Installation.
Schon sehr früh bestimmte eine kritisch reflektierte Auseinandersetzung
mit ideologischen Strukturen und Systemen Naders (*1964)
Denken und bis zu seiner Flucht aus dem Iran wuchs er in Tehran
in einem intellektuellen politisch-geprägten Klima auf. Heute
lebt und arbeitet er in Berlin, denn in dieser Stadt fühlt
er sich der deutschen Geschichte am nächsten; einer Geschichte,
die ihn vorallem aus der Prespektive der Philosophie interessiert:
vor dem Hintergrund einer intesiven Beschäftigung mit der abenländischen
Philosophie und der Malereigeschichte der vergangenen zwei Jahrhunderte
entwickelt Nader seine Bilder aus einer ambivalenten Sicht auf die
Möglichkeiten von Malerei. Die Maschinengebilde, deren Antriebskraft
man nicht ausfindig machen kann, die architektonischen und flächigen
Elemente, die dem Bildraum strukturieren, die Wort- und Wortlose
Magie der Inszenierungen in denen die Bewegung wie eingefroren scheint,
provozieren Möglichkeiten individueller ikonografischer Betrachtungsweisen
unter denen die emblematische Ebene seiner Inszenierungen nur teilweise
entziffert werden kann. Das Gehimnisvolle, nicht entschlüsselbare
Moment in seinen Arbeiten birgt genau das Potenzial an Ambivalenz,
das ein aktuelles Verständnis und Gefühl zu unserer Zeit
widerspiegelt und gleichzeitig die Zeitlosigkeit einer solchen Haltung
thematisiert und deutlich macht.
Die Arbeiten von Henrik Olesen finden ihre Ausformung in
Postern, Skulpturen oder architektonischen Interventionen. Ob ein
Poster, ein homosexueller Kater oder eine fragile Reh-Konstruktion
einer Skulptur von Sol Le Witt, der Prozeß demonstriert de
De-Konstruktion der Idee von Authentizität und kultureller
Produktion.
In den Mittelpunkt gerückt wird die Präsenz von Minderheiten
im Kontext von Geschichte, Gesellschaft und Institutionen der Kunstwelt.
Als Beispiel von architektonischen Interventionen Henrik Olesens
können die Reduktionen räumlicher Ausdehnungen in Konfrontation
zum menschlichen Körper gegeben werden: Türen und Passagen
werden verkleinert oder blockiert, Objekte werden zwischen neu konstruierten
Wänden gequetscht. Diese Markierungen zeigen Territorien und
Grenzen, wie sie in der heutigen sozialen Landschaft vorkommen.
Durch die Verwendung von billigen, vorgefundenen Materialien wie
Styropor oder Karton, der Zerbrechlichkeit der Arbeiten von Henrik
Olesen wird die Stabilität unserer kulturellen Umgebung in
Frage gestellt.
Für Tobias Rehberger (*1966) sind Design und Architektur
benutzbar, bewohnbar und gestaltbar.
Dinge, die ihn umgeben, die bereits gestalterisch und funktional
durchorganisiert sind, werden dekontextualisiert, beziehungsweise
neu entworfen, wodurch sie zum einen ihre (serielle) Anonymität
verlieren und Kräfte freigesetzt werden können, die im
Entwurf nicht vorgesehen sind.
Tobias Rehbergers Bücherregale sind Möbel für das
Heim, sind aber auch seriell aufeinander abgestimmt wie eine Familie.
Die Holzregale werden mit Büchern der gleichen Cover-Farbe
gefüllt - Hellviolett trifft auf Orange, Schwarz auf Rot. Hier
kann man den Koloristen Rehberger nicht verleugnen und die scheinbar
anonyme Meterware wird zum authentischen Künstleroriginal.
Daniel Richter (* 1962) bedient sich nicht nur im originalen
Bildvorrat der Kunstgeschichte, er greift ein in die überbordenden
Warenlager unserer vollmedialisierten schönen neuen Welt, der
Welt der Massenmedien und Computersysteme doch nicht genug: Richter
erklärt nicht nur die Totalität des Visuellen freudig
zum Ready-Made sondern zugleich auch dessen Negation die Störungen
und Ausfälle der Technik das Scheitern des Visuellen das seine
eigenen Bilder konstruiert. Daniel Richter nimmt die Freiheit der
Abstraktion als Herausforderung an und stellt sich der Unendlichkeit
von Möglichkeiten, die die Welt der Formen und Farben eröffnet.
Getreu seiner Devise "Malen ist Denken" setzt und nutzt
der Künstler dabei seine eigene Grammatik mit welcher er, das
von ihm aufgestellte Vokabular an Zeichen, Farben, Gestalten und
Flächen in neue Formen bringt.
Bei den Arbeiten von Frank Thiel (*1966) geht es um Großstädte
und ihre Einwohner. Die Problematik der Urbanität, die Frage
der Unsicherheit der Städte, aber auch die Überwachungs-
und Sicherheitssysteme sind Themen seiner Arbeiten.
Besonders die Überwachungskameras, angebracht überall
in der Großstadt, (in Eingangsbereichen, Kaufhäusern,
Gebäudeecken, etc.) faszinieren Thiel. Die urbane Aktivität
wird aufgezeichnet und gespeichert. Die Stadt wird ein einziges
Filmset, in der sich die Bewohner in der Rolle von Statisten wiederfinden.Die
Ausstellungen wurden von Bettina M. Busse und Thomas Krinzinger
kuratiert.
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