Russland nach dem Regen
Mit dem Titel „Raining“ für ihre Ausstellung beziehen
sich Vladimir Dubosarsky (*1964 in Moskau) & Alexander Vinogradov
(*1963 in Moskau) auf die Werkgruppe die sie im Sommer auf der Biennale
in Venedig, im russischen Pavillon gezeigt haben – dort war eine
Unterwasserwelt zu sehen, die Werke hier verstehen sie im Zusammenhang
damit als die letzten Tropfen des Regens, der wie ein Wasserfall ihre
letzten Bilder geflutet hat. Der Zyklus Unterwasserwelt war der bis
dato wichtigste Moment im Schaffen der Künstler, die vorausgehenden
Arbeiten zeigten auf ironische Weise ein hausgemachtes post-sowjetisches
Paradies - schnell zusammengestellte Klischees des Sozialismus und der
breitenwirksamen Glanzmagazine.
Arnold Schwarzenegger ist auf einem der früheren Bilder zu sehen,
der auf väterliche Weise unter Birken die Kinder lehrt, als auch
russische Klassiker, die mit Playboy-Girls spielen. Das ganze ergibt
natürlich ein surrealistisches Gesamtbild, die der Pop- und Soz-Art
nachfolgende Bildsprache der beiden ist hier als Rekonstruktion des
Unterbewussten und Chaotischen der post-sowjetischen Zeiten, als man
Mythen und Ideologien noch vermischt hat, zu verstehen.
Im Gegenteil dazu ist die Unterwasserwelt mehr lyrisch und intim.
Das Wasser das die massenmedial standardisierte Paradieswelt überflutet
und es in eine wunderbare Traumwelt verwandelt hat, fungiert hier als
Symbol aus der Psychoanalyse als das persönliche Bild des Unterbewussten – des
individuellen, nicht des kollektiven. Der Zyklus erinnert auch an das
surrealistische Bild „Europa nach dem Regen“ von Max Ernst,
es sind dieselben Wassermassen die auch in ihren Bildern alles einen
monolithischen Zustand annehmen lassen, anstelle des Wassers kommt hier
nur der Regen, anstelle der epischen Panoramen die fragmentarischen
Bilder. Dinge, Geschöpfe und Landschaften erscheinen erneuert,
geputzt und gewaschen, wie schon bekannte Plätze nach einem kurzen
Frühlingsregen. Der alltägliche Blick auf die Dinge ist wie
weggewischt, die alten Zusammenhänge ausgewaschen. Der Surrealismus
in der neuen Serie von Dubosarsky und Vinogradov hat nichts mehr gemeinsam
mit der Manipulation bekannter Klischees, im Gegenteil ist die Welt
auf diesen Bildern nicht wiedererkennbar.
Der Philosoph Jean Boudrillard sagte einmal über Andy Warhol, dass
dessen Bilder keine Details haben und nicht fragmentierbar sind. Genauso
wie die euphorisch persönlichkeitslosen Symbole der Pop-Art ist
auch das kitschige Paradies von Dubosarsky und Vinogradov nicht fragmentierbar,
obwohl es aus unterschiedlichsten Fragmenten zusammengestellt ist. Beim
Versuch dies oder jenes Detail genau zu betrachten scheitert das Auge
an den schnell hingeworfenen Pinselstrichen einer anonymisierten Malerei. Über
ihre neuen Bilder sagen die beiden Maler, sie gehören zur selben
Welt, die sich schon in den früheren Bildern abzeichnete. Wenn
der Fokus weg vom Igel oder Schweinchen gehen würde, sähe
man Schwarzenegger, Tolstoi und die nackten Mädchen, alles was
man in der Bilderwelt Dubosarskys und Vinogradovs schon zu sehen gewohnt
ist. Die Möglichkeit der Fragmentierung selbst negiert die Welt
als unpersönlichen Monolith. Die früheren Gemälde Dubosarskys
und Vinogradovs waren wie Werbe- und sowjetische Propagandaplakate auf
ein Massenpublikum ausgerichtet. Die neuen Bildern geben die Möglichkeit
einer genauen und individualistischen Betrachtung. |
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