Ausstellungsliste nach Galerien
 Ausstellungsliste nach Künstlern

Rudolf Polanszky

Hyperbolische Räume


  GALERIE KONZETT
 03.11. - 03.12.2010

 

Vernissage: am Dienstag, dem 02. November 2010, um 19:00 Uhr
Zur Ausstellung spricht Benedikt Ledebur.
Der Künster ist anwesend



„… dass das sensomotorische oder intelligente Subjekt aktiv ist und selbst seine Strukturen durch reflektierende Abstraktionsverfahren aufbaut, die, ziemlich außergewöhnliche Fälle ausgenommen, nicht mehr viel mit der perzeptiven Vorstellung zu tun haben.“
Jean Piaget, Der Strukturalismus.

Zu Rudolf Polanszkys Ausstellung „Hyperbolische Räume.

Es ist vielleicht (für einen Dichter) ein glücklicher Zufall, dass „Hyperbel“ wie „Ellipse“ sowohl eine rhetorische wie eine geometrische Figur bedeuten. Während „Ellipse“ im Rhetorischen Weglassen und im Geometrischen eine geschlossene Kurve bedeutet, bezeichnet „Hyperbel“ im Rhetorischen Übertreibungen und im Geometrischen eine offene symmetrische Figur mit zwei Ästen, die wie die Ellipse auf zwei Spiegelachsen beruht. Beide geometrischen Figuren spielen als Grundlage für die nichteuklidische Geometrie eine Rolle, die sich in die elliptische und die hyperbolische aufteilt, also für jene Geometrie, die unseren gewohnten dreidimensionalen Raum, in dem das Parallelenaxiom gilt, außer Kraft setzt.

Es mag rhetorisch eine Übertreibung sein, wenn sich Rudolf Polanszky auf diese Räume beruft, da er sich ja mit seinen Objekten dem gegebenen, der Gravitation unterliegenden Raum unserer unmittelbaren, unsteten Anschauung nicht entziehen kann, im Methodischen seines Arbeitens, das sich unter anderem in ungenauen Symmetrien, Verschiebungen, Transformationen und Spiegelungen entwickelt, ist es ein zutreffender Bezug, der die imaginäre Achse seiner Bestrebungen ins Spiel bringt. Polanszky hat sich ein evolutives System geschaffen, in dem sich sogenannte Kreativität in Selbstkontrolle und Selbstregulierung übersetzt. Es ist aber kein geschlossenes System, denn er nimmt sich jederzeit die Freiheit, neue Elemente in dieses einzuführen (und nennt es: „Erweiterung der Elementarbasis“). Auch die Idee findet in diesem eine Entsprechung, als Einfall tritt sie in Polanszkys Begrifflichkeit zum Beispiel als „Ad-hoc-Synthese“ auf. Im Unterschied zur Konzeptkunst, in der oft eine ärmliche Idee den enormen Aufwand ihrer pompösen Darstellung nicht rechtfertigt, geschieht die Darstellung seiner Vorstellungen bei diesem Künstler im struktural vordefinierten Raum, quasi musikalisch, als ästhetische Draufgabe, die immer auf eine Entwicklungsgeschichte verweist. Die produktive Zeitachse wird nicht selten auch einem unabhängigen Äußeren überlassen, z.B. dem Wetter, das den verwendeten Materialien im Hinterhof des Ateliers zusetzt. Es geht nicht um Bedeutendes, um benennbare Repräsentation oder Satzlogik, sondern um in die Höhe gezogene Geraden, in die Länge gezogene Verstrebungen, Überlappungen, gekrümmte, gefaltete und ineinander geschachtelte und geknüllte Oberflächen, deswegen also der sinnvolle Hinweis auf die struktursensible Mathematik, bzw. Gruppentheorie, wo Symmetrien, Transformationen und Inverse ihre genaue Funktion haben.

Wir bewegen uns alle zwischen Systemen, und die gängigsten lassen sich soziologisch oder ökonomisch ungefähr erfassen. Es zeichnet Polanszky aus, dass er vor allem am objektivierenden, erkenntnisorientierten Gespräch mit sich selbst, an der Analyse seiner Empfindungen interessiert ist, und nicht auf das konforme System des Marktes schielt, wo Repräsentationen für Sammler oft nur den gesellschaftlich einsetzbaren Federschmuck, für Künstler meist Nischen der Anpassung bedeuten, die ihre bezahlten Bemühungen in vorübergehenden Strömungen verankern. Dass Stilfindung mit Reduktion des Verwendeten und der Verhältnisse und mit genauer Beobachtung der möglichen Anschlussstellen und Mutationen der eingeführten Formen zu tun hat, lässt sich an Rudolf Polanszkys Werk bestens nachvollziehen.

Text: Benedikt Ledebur, Wien, 26.10.2010