Ausstellungsliste nach Galerien
 Ausstellungsliste nach Künstlern

um 1970

Theo Altenberg, Joseph Beuys, Günter Brus, Wolfgang Ernst, Valie Export, Padhi Frieberger,
Bruno Gironcoli, Robert Klemmer, Helga Philipp, Peter Rataitz, Dieter Roth, Alfons Schilling, Franz West.


  GALERIE KONZETT
 06.03. - 11.04.2009

 

Vernissage: am Donnerstag, den 05. März 2009, um 19:00 Uhr



Die aktuelle Ausstellung der Galerie KONZETT zeigt die enorme Diversität des Kunstschaffens um 1970 auf. Alle vertretenen Künstler, vorrangig Österreicher, leben in Wien oder haben einen engen Bezug zur Stadt des Aktionismus wie Joseph Beuys und Dieter Roth. Waren die 1960-Jahre geprägt von der Aktionskunst, so ist um 1970 eine sehr individuelle Verortung der Künstler zu bemerken: Günter Brus entwickelt seine „Bild-Dichtungen“, Franz West die sogenannten „Passstücke“ und Alfons Schilling die „Sehmaschine“. Bruno Gironcolis raumgreifende Skulpturen und Valie Exports „Körperkonfigurationen“ entstehen. Doch nicht nur den großen Namen gilt die Schau, vielmehr wird das Werk von Künstlern gewürdigt, die weniger im Fokus der allgemeinen Aufmerksamkeit standen und stehen und die gänzlich unterschiedliche Positionen vertreten: Theo Altenbergs dokumentarische Werke arbeiten das Sozialexperiment „Kommune Friedrichshof“ auf, Wolfgang Ernst entwickelt in den 70ern skriptorale Konzepte, Peter Rataitz abstrakt-expressive Bildobjekte, denen der Realismus von Robert Klemmers Selbstporträts gegenübersteht. Die zu Lebzeiten wenig beachtete Künstlerin Helga Philipp, die als Vertreterin der Konkreten Kunst in Österreich stets auf einsamem Posten stand, ist mit zahlreichen Op-Art Bildern repräsentiert.

THEO ALTENBERG
geb. 1952 in Mönchengladbach (D)
Von 1973-1990 lebte Theo Altenberg in der Kommune Friedrichshof, wo er die „Aktionsanalytische Organisation“ mitgestaltete und künstlerisch als Fotograf und Filmer begleitete. Er war Mitbegründer des „Kunstbüro Friedrichshof“, Herausgeber der AA-Nachrichten und als Darsteller an mehreren Filmen der Kommune beteiligt. Zahlreiche Fotografien, Videos, Ausstellungsprojekte und Publikationen befassen sich mit der Aufarbeitung dieses sozialen Experimentes. Darüber hinaus porträtierte Altenberg in zahlreichen Filmen, Interviews und eigenen Texten Künstlerkollegen wie Joseph Beuys und Günter Brus.

JOSEPH BEUYS
geb. 1921 in Krefeld (D), gest. 1986 in Düsseldorf (D)
Weit über die materiellen Dinge hinausreichend strebte Joseph Beuys einen erweiterten Wirklichkeitsbegriff an. Jeder Mensch könne sich gegenüber dem Leben als Künstler verstehen und durch politische Interaktion eine „Sozialskulptur“ schaffen. Stets auf der Suche nach den „inneren Werten“ des Materials, konfrontierte Beuys in seinem Werk – das zugleich sein Denken und Handeln meint – kulturelle Traditionen wie Schamanismus mit dem erkenntnistheoretisch geprägten Denken der Gegenwart. Seine Erlebnisse als Sturzkampfflieger im Zweiten Weltkrieg prägen Beuys Materialwahl von Filz, Wachs und Fett ebenso, wie seine Inhalte und nicht zuletzt seine markante äußere Erscheinung: Der berühmte Hut verdeckt eine Kopfverletzung.

GÜNTER BRUS
geb. 1938 in Ardning (Steiermark, A)
Günter Brus, der sich heute einen Bilddichter nennt, hat sich mit zwei Aktionen in die österreichische Kunstgeschichte der 1960er-Jahre eingeschrieben: als weiß bemalte, durch einen schwarzen Strich in zwei Hälften geteilte Gestalt, die durch die Wiener Innenstadt spazierte, und als meist gehasster Österreicher, der im Rahmen seiner „Körperanalysen“ das Lehrpult im Neuen Institutsgebäude Wien versaute. Sein umfangreiches aktionistisches Werk hat Brus stets mit Zeichnungen und Malereien begleitet. Ab 1970, beginnend mit der Mappe „Irrwisch“, entwickelt er seine „Bild-Dichtungen“, die Literatur und bildende Kunst kombinieren, und an denen er bis heute arbeitet.

WOLFGANG ERNST
geb. 1942 in Wien (A)
Wolfgang Ernsts spektakuläre erste Ausstellungen und Aktionen wie „Publikum(s)sprenger“, 1969 in München zusammen mit Valie Export und Peter Weibel, weichen ab Mitte der 1970er-Jahre Arbeiten, die zunehmend von skriptoralen Konzepten bestimmt sind. Schriftzeichen und rhythmische Kritzeleien sind in seine grafischen und plastischen Werke ebenso einbezogen wie Musik. Seinen Designs für Buchumschläge liegt jeweils eine intensive Auseinandersetzung mit dem Autor zugrunde, die sich zunehmend auch in eigenen Texten manifestiert.

VALIE EXPORT
geb. 1940 in Linz (A)
Seit den frühen 1960er-Jahren befasst sich VALIE EXPORT mit Fragen zur Konditionierung von Wirklichkeit, vorrangig Geschlechterverhältnissen. Das Thema des weiblichen Körpers und der sozialen Repräsentation der Frau formuliert sie unter oft rücksichtslosem Einsatz der eigenen Person, etwa im legendären „Tapp- und Tastkino“ (1968). Ihre Mittel zur Untersuchung des Körpers stammen sowohl aus dem Kontext des Wiener Aktionismus als auch des Expanded Cinema. In den 1970er-Jahren gehörte sie mit zu den ersten, die im Ausstellungskontext interaktive elektronische Konzepte erprobt und den Besuchern eine vorab definierte Aktion abverlangt haben. Ihre „Körperkonfigurationen“ der 1970 bis 80er-Jahre untersuchen die Grenzen zwischen dem menschlichen Körper und seinem Umfeld.

PADHI FRIEBERGER
geb. 1929 in Wien (A)
Unmittelbar nach dem Krieg beginnt Padhi Frieberger, Materialassemblagen und Gerümpelskulpturen zusammenzustellen. Ein entscheidender Teil seiner künstlerischen Arbeit entsteht durch die detaillierte Dokumentation und Archivierung seiner Lebenswelt und Umgebung: Er fotografiert an die 3000 Personen, die für ihn wesentlich sind. Viele dieser Fotografien verwendet er für seine Collagen, die er mit Texten ergänzt. Antibürgerliche Persiflage und anarchische Gesten sind die Kennzeichen seiner Kunst, deren Vorbildhaftigkeit für den Wiener Aktionismus ebenso unbestritten sein dürfte wie die Vorwegnahme vieler Aspekte der informellen Plastik.

BRUNO GIRONCOLI
geb. 1936 in Villach (A)
Bereits in den 1960er-Jahren hat Bruno Gironcoli Einzelobjekte zur Installation erweitert. Doch erst die Übernahme der Bildhauereiklasse an der Wiener Akademie Ende der 1970er-Jahre trug seinen raumgreifenden Tendenzen Rechnung. In seinen großen Atelierräumen schuf er monumentale, barock anmutende Skulpturen, die der Thematik Sexualität und Fruchtbarkeit verpflichtet sind. Biomorphe und anthropomorphe Formen sowie stark symbolisch angelegte und von Alltagsgegenständen abgeleitete Motive definieren seine Objekte, die als Modelle für Metallguss konzipiert sind. In seinem graphischen Werk finden sich sowohl autonome Studien als auch Entwurfsskizzen, ab den 1970er-Jahren erläutern sie wie Handlungspartituren zunehmend seine Skulpturen.

ROBERT KLEMMER
geb. 1938 in Rappoldschlag (NÖ, A), gest. 1971 in Wien (A)
Im Umfeld des Wiener Aktionismus tätig, setzt sich auch Robert Klemmer mit dem eigenen Körper auseinander, mehr aber mit sich selbst, seiner Person, und der Wahrnehmung auf ihn. Zahlreiche Selbstporträts zeigen den früh verstorbenen Maler in einem zu dieser Zeit seltenen Realismus. Von oben, von hinten, von vorne, immer ist Klemmer selbst zu sehen, eine konkrete Umraum umgibt ihn nur selten. Der Filmemacher Kurt Kren drehte während Klemmers Begräbnis den Aktionsfilm „25/71 Klemmer und Klemmer verlassen die Welt“ und warf ihm die Filmrolle ins Grab nach.

HELGA PHILIPP
geb. 1939 in Wien (A), gest. 2002 in Wien (A)
Helga Philipp gilt als Vertreterin der Konkreten Kunst, die in Österreich nie sonderlichen Zuspruch erhalten hat. Relativ unabhängig von äußerem Erfolg hat Philipp kontinuierlich an der Entwicklung ihres Werks gearbeitet. Ihre kinetischen Objekte, Grafiken und Malereien, charakteristischerweise in dunklen Farben gehalten, zeichnet ein hohes Maß an Perfektion aus. Die Auseinandersetzung der Künstlerin mit Lichtreflexionen kommt in zahlreichen Arbeiten durch die Verwendung von Metall, Silberpapier oder der Struktur der aufgetragenen Farbe aus Grafit- und Aluminiumpigment zur Geltung. Nicht zuletzt stellt Helga Philipps Werk die Relation zwischen Bild und Betrachter auf die Probe.

PETER RATAITZ
geb. 1945 in Wolfsberg (Kärnten, A)
Mit Projekten wie „Keine Angst: Gratis-Haarschnitt!“, die Tierversuche in der Pharmaindustrie thematisieren, sorgte Peter Rataitz in den 1990er-Jahren für Aufsehen. Collagen, Comic-Anklänge aber auch reduzierte konstruktivistische Grafiken bestimmen Werkserien wie „Friseur“, wohingegen sein malerisches Œuvre sehr expressiv ausfällt. Häufig ist es kombiniert mit grob gezimmerten Holzleisten, die sowohl als Rahmen fungieren, als auch das Bild zum Objekt werden lassen.

DIETER ROTH
geb. 1930 in Hannover (D), gest. 1998 in Basel (CH)
Dieter Roth wird vorrangig mit der sogenannten „Eat Art“ in Verbindung gebracht, wobei seine Objekte aus Lebensmitteln einen verhältnismäßig kleinen Teil seines umfangreichen Werkkomplexes darstellen. Im Zersetzungsprozess, dem die Arbeiten aus organischen Stoffen ausgeliefert sind, sah Roth etwas Ehrliches, ihn faszinierte das Unkontrollierbare. So öffnete er seine Kunst auch dem unberechenbaren Einfluss durch Dritte, woraus die „Collaborationen“ entstanden.
Ähnlich Beuys entwickelte Roth seine Objekte ohne jegliches ästhetische Ansinnen, und eine konsequente Gleichsetzung von Leben und Kunst prägte sein Schaffen.

ALFONS SCHILLING
geb. 1934 in Basel (CH)
Alfons Schilling gilt als früher Vertreter des Action Paintings, wobei ihn weniger der eigene Körper als der Akt des Sehens interessiert. Mit seinen Rotationsbildern und Linsenrasterfotografien gelingt es ihm, die Zweidimensionalität zu überwinden und Bewegungs- und Raumerfahrungen zu kombinieren. Er setzt sich intensiv mit Blick, Bewegung und Dreidimensionalität auseinander, experimentiert mit Hologrammen und Linsenrasterfotografie. Parallel dazu arbeitet er an „Sehmaschinen“ und autobinären Raumbildern, die sich durch Betrachten mit dem Prismen-Monokel in den dreidimensionalen Raum öffnen.

FRANZ WEST
geb. 1947 in Wien (A)
In frühen Jahren ist Franz West den Material- und Körperaktionen des Wiener Aktionismus verpflichtet. Ab den späten 1970er-Jahren entwickelt er die sogenannten „Passstücke“, prothesenartige Gliedmaßen-Verlängerungen. West arbeitet in Folge seine plastischen Konzepte weiter aus und intensiviert den räumlichen Bezug des Skulpturalen in Installationen aus Sitz- und Liegemöbel. Ob als Ausdehnung des Körpers oder als Gebrauchsgegenstand begriffen: West überprüft die Zone zwischen Kunst und Lebensalltag und fordert das Publikum zu einer haptischen Überprüfung auf.