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Rudolf Polanszky

transaggregate Strukturen


GALERIE KONZETT
 16.01. - 28.02.2009

 

Vernissage: am Donnerstag, den 15. Jänner 2009, um 19:00 Uhr
Der Künstler ist bei der Vernissage anwesend.



Schon in der Art, wie er seine Ausstellung oder einzelne Werke betitelt, teilt sich etwas von Rudolf Polanszkys Ästhetik mit: Die sperrigen, von ihm leichthin, wie ad hoc gekoppelten und oft fast paradox anmutenden Begriffe erzeugen bezeich-nenderweise eine eigene Sinnlichkeit, weisen auf die ironische Spitze getrieben über ihre Begrifflichkeit hinaus, transzendieren. Aggregat kann in Anbetracht sei-ner Bedeutungen wirklich als Ausgangspunkt für Polanszkys Arbeiten stehen. In der Technik steht dieses Wort für einen Satz von zusammenwirkenden einzelnen Maschinen, Apparaten, Teilen, und in der Geologie für Verwachsung von Minera-lien gleicher oder ungleicher Art. Und der Elementarbasis am nächsten kommend bezeichnet in der Chemie Aggregatzustand die Erscheinungsformen, in der Mate-rie existiert: fest, flüssig oder gasförmig.

Die Wirklichkeitsgrenzen einzelner wissenschaftlicher Bereiche wie des von unse-ren Sinnesdaten und ihrer Verarbeitung konstruierten Außen ignoriert allerdings Polanszkys Ansatz. Er ist kein Materialist im einschlägigen Sinn. Jede Interpreta-tion, die die Untersuchungsergebnisse seiner romantischen Wissenschaft – denn als solche können seine Bilder und Skulpturen gelten – von einer Materialästhetik her deuten will, läge falsch; sie übersähe, dass die Weise, wie dieser Erkenntnis-theoretiker unter den Künstlern die Materialien auf den Bildflächen aggregiert, zur Verwandlung zwingt, und wie er mit seinem Formenvokabular zur mutablen Grammatik seiner Skulpturen findet, auf etwas anderes hinaus will, das eher im Bereich einer Wahrnehmungspsychologie anzusiedeln ist. Wie in diesem Motiva-tionsraum ein objektivistischer Blickwinkel zu kurz greift, der ein Außen annimmt, das sich uns mit primären Qualitäten wie Form und Lage oder Bewe-gung bietet, die unsere Sinne mit sekundären Qualitäten wie Farbe und Geruch versieht, führt der rein konstruktivistische, der alle Wirklichkeit als Fiktion der eigenen Bauweise versteht, zu weit.

Polanszky, als erster Betrachter seiner Objekte, experimentiert mit sich selbst, und greift, um sich die Entstehung der Arbeiten zu verdeutlichen, gerne auf evo-lutionistisch geprägte Erklärungen zurück. Den Ort der Transformationen und Mutationen sieht er im Betrachter angelegt, denn wo sonst sollen sich die für sei-ne sich ständig erweiternde Elementarbasis streng selektierten Materialien, die er aus Abfällen und Baumärkten zusammenträgt, zu neuen Informationen aggregie-ren? Was den Künstler vom reinen Betrachter unterscheidet, ist, dass er in das sich ihm Bietende eingreift, auf drohende Information handelnd reagiert und so die Modelle für transaggregate Strukturen erst erzeugt, anhand deren die Bet-rachter die Spur seines „Denkens in Dingen“ verfolgen können. Auf die Entwick-lung einer Logik, eines sich wiederholenden, in sich geschlossenen Systems kommt es ihm nicht an, denn, wie Wittgenstein im Tractatus schreibt: In der Lo-gik sind Prozess und Resultat äquivalent. (Darum keine Überraschung). Es lässt sich schwer sagen, wo die Umgebung liegt, die die Information in den Genen die-ses Handelns bis zur nächsten Variation festschreibt, aber das Bewusstsein, auf Bedingungen mit Anpassung reagieren zu müssen, wird mit einem selbst gewähl-ten Zwang zu ständiger, aktiver Wandlung unterlaufen, die die unmittelbare Um-gebung in die Modelle miteinbezieht. So ist es zu verstehen, dass das Podest ei-ner Skulptur von dieser sich anverwandelt wird, ja mit überlangen Beinen plötz-lich zur Hauptsache des Modells wird, während der ursprüngliche, vitrinenartige Gegenstand, der den Begriff eines Inhalts mehr karikiert als suggeriert, zuneh-mend verkümmert. Wohin die aggregierten Strukturen über sich hinausweisen, transzendieren, bleibt dem Ausstellungsbesucher überlassen. Vielleicht helfen die soziologische Bedeutung von Aggregat – bloße Summe von Personen, die (z.B. bei statistischen Untersuchungen) ausgewählt werden, ohne in einer sozialen Be-ziehung zueinander zu stehen – und die Tatsache, dass sich auch in einer „zufäl-ligen“ Gruppe von Ausstellungsbesuchern Regelmäßigkeiten feststellen lassen. (Benedikt Ledebur)