Aus dem Zusammentreffen von Fotografie und Malerei entsteht bei Lotte Seyerl eine
dritte Welt: eine verschwommene, verschleierte, unscharfe und verrätselte Realität.
In jedem der Bilder ist die ursprüngliche, die bekannte Realität der Vorstadtstraßen,
der Hauptstadtplätze, der Busstation, des Dorfes, der Flusslandschaft oder eines
Sonnenuntergangs zu spüren.
Farbe und Pinselstrich der Malerin allerdings legen sich wie eine Distanz zwischen
diese alltägliche Szene und das Bild, das der Betrachtende untersucht. Der Eingriff
der Künstlerin, ihr malerischer Kommentar zum Gesehenen und Fotografierten,
macht das Bekannte neu und unbekannt, macht das Graue und Trübe nebulös und
rätselhaft, macht Menschen - unsere Zeitgenossen - zu Schauspielern in einem
inszenierten Theaterstück.
Angesichts dieses Rechts auf eine unsichtbare Mauer des Schweigens gerät die
Erfahrung der Öffentlichkeit zur bloßen Beobachtung – von Szenen, von anderen
Männern und Frauen, von Schauplätzen.
Die Bildebene ebenso wie der Bildaufbau wird bei Lotte Seyerl zum Thema. In
gegenständlicher Malerei, aufbauend auf Photographien, die so genannte objektive
Realität zu ihrer eigenen Realität formend. Momentaufnahmen, die durch eine sanfte
Unschärfe und Pastelltöne in ein Zuviel an Licht getaucht sind, das die Kontraste des
Alltags verwischt. Das „Leiden an der Buntheit der Welt“ überzieht Lotte Seyerl mit
ihrem ganz persönlichen Lichtfilter. Die Motive als willkürlicher Ausschnitt einer Stadt,
einer Straße, einer banal scheinenden Situation sollen die unvoreingenommene Sicht
des Zuschauers herausfordern, Erwartungen und Vorwissen auf ein Minimum
reduzieren und so die neue Sicht auf die Dinge, den einzigartig individuellen Zugang
ermöglichen.
Lotte Seyerl, Aus der Serie „P.-C.“
Bleistift, Tusche und Acryl auf Papier, 29,7 x 42cm, Courtesy: the artists
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