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lejo & august walla

fotografie

 GALERIE GUGGING
 29.09. - 23.11.2016


Vernissage: 28. September 2016, 19 Uhr



bild
Lejo, 2015, drei zehner/three tens, Colalge auf Karton/collage on cardboard, 16,1 x 23,2 cm, Courtesy galerie gugging

Lejo & Walla : die wiedergefundene Aura.

Was könnten Lejo & August Walla wohl gemeinsam haben, abgesehen davon, dass sie jeweils plastische Fotografie in ihre Arbeit miteinbeziehen? Die Tatsache, dass beide außerhalb der herkömmlichen Bahnen gewirkt haben beziehungweise wirken, reicht für einen gemeinsamen Nenner nicht aus. Sieht man jedoch genauer hin, so ist man überrascht, dass beide sich zwar mit Fotografie – aber nicht zum Zwecke der Reproduktion – beschäftigt haben, sondern mit der Absicht, die Wirklichkeit umzugestalten. Lejos künstlerische Erfahrung kommt in der Collage selbst zum Ausdruck, in der plötzlich entstandenen Vieldeutigkeit mehrerer Bilder, die eigentlich nicht dazu bestimmt gewesen waren, ihr Schicksal miteinander zu teilen.

Der Werkstoff, aus dem Lejo schöpft, hat meist nichts mit Lejos eigenem Leben zu tun: er macht sich Familienfotos zu eigen, die ihm mal da, mal dort unterkommen; ein Stoff, der den Betrachter unmittelbar an seine eigene Geschichte erinnert, an ähnliche Bilder, die sich in seinem Privatbereich nach und nach angehäuft haben. Dieses nostalgische Korpus wird anschließend zerlegt, dann wieder zusammengesetzt und treibt schließlich mittels Montagen und Hybridisierungen unsere Fantasie an ihre äußerste Grenze, und trotzdem sind wir fähig, uns damit zu identifizieren. Er überschreitet dabei den nach wie vor erzählerischen Rahmen, der seit den Surrealisten mit diesem Genre in Verbindung steht. Lejo erzeugt keine Schimäre mit seinen Hybridisierungen, sondern er möchte etwas Universelles zum Vorschein bringen. Eben wie er es mit Fotografien im Entwickler macht.

Dabei spürte er etwas – etwas, was die anderen genauso wie ihn selbst mitfiebern lässt – und er kann das nur dadurch zum Ausdruck bringen, dass er lose Teile miteinander verknüpft, um daraus wieder ein Ganzes zu formen. Lejo erzeugt eine neue Harmonie und verkettet zu diesem Zweck ohne Unterlass die Leben der anderen.

Walla hingegen dokumentiert seine eigene künstlerische Geste. Das Foto hält einen performativen Augenblick fest, es zeugt vom Auftritt seines eigenen lebenden Wesens. Manchmal setzt er sich selbst, den Körper in seiner schreienden Rohheit – nackt, mit einem Gegenstand in der Hand – unseren Blicken aus. Sein Vorgehen ähnelt damit ganz zufällig den Faces Farces von Arnulf Rainer. Im Unterschied zu diesem hat jedoch Walla wahrscheinlich keinerlei Absicht, die romanische Tradition monströser Geschöpfe auf den Plan zu rufen. Und ein weiterer Unterschied zu Rainer besteht darin, dass seine (von seiner Mutter aufgenommenen) Ganzfigurenbildnisse – der Kopf oft außerhalb des Rahmens – nicht den Zweck hatten, uns zu provozieren, da sie nicht für Ausstellungen bestimmt waren. Mit Sicherheit kann man allerdings annehmen, dass diese „Akte” bei ihm, vorausgesetzt man kennt Walla, zumindest als Experimente zu verstehen sind. Auf anderen Abzügen sieht man plötzlich – etwa so wie bei Dieter Appelt – einen Gegenstand auftauchen, eine mit Text beschriebene Tafel mitten in einer Landschaft oder seine unaufgeräumte Wohnung, die einen visuellen Hiatus schafft.

An anderen Stellen wiederum scheint die konstruktivistische Strenge von Fliesen oder von einer aus kaputten Fenstern bestehenden Fassade seiner Vorliebe für Komposition Vorschub zu leisten.

Meistens ist es eine Spur, die er hinterlässt, die er für die Ewigkeit auf dem Film festhalten will, geradeso als ob er von seiner Anwesenheit und seinem Wirken in dieser Welt Zeugnis ablegen will. Dazibao oder Testament sind nicht weit davon entfernt. Eigentlich komponieren sowohl Lejo als auch Walla ästhetische und existentialistische Manifeste mit ihren Fotografien, und zeigen so verschiedene Arten auf, über die Wirklichkeit hinauszugehen. Während Lejo heterogene Fragmente der Vergangenheit heraufbeschwört und neu kombiniert, rekonstruiert Walla dagegen sein Leben mitten in der Aktion, im hic et nunc der Fotografie. Beide jedoch beanspruchen nicht nur ein und dasselbe Medium, sondern auch den ihnen jeweils zustehenden Teil an Aura.

bild
August Walla, Beschriftete Tür Espelho.!/inscribed door Espelho.!, Foto/photo, 20 x 30 cm, Courtesy Art Brut KG