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das maß aller dinge

Josef Kern, Andreas Leikauf, Martin Schnur, Anna Stangl, Gabi Trinkaus


GALERIE GÖLLES
  14.06. - 24.08.2014

 

Vernissage: am Samstag, dem 14. Juni 2014, um 18:00 Uhr
zur Eröffnung spricht: Günther Holler-Schuster, Universalmuseum Joanneum Graz

„Das Maß aller Dinge“ wäre in diesem Zusammenhang sicherlich in einer außerhalb unserer Reichweite liegenden gleichsam göttlichen Macht zu suchen, deren bestimmende Kraft sich im Laufe der Zeit aufzulösen begonnen hat. In seiner ursprünglichen sophistischen Sichtweise wie sie von Protagoras ausging, heißt es im berühmten „Homo-Mensura-Satz“: „Der Mensch ist das Maß aller Dinge, der seienden, dass sie sind, der nichtseienden, dass sie nicht sind.“ Die genaue Übersetzung und damit auch die Interpretation des Satzes sind umstritten. Platon bietet eine Sichtweise an, indem er meint: „Wie ein jedes Ding mir erscheint, ein solches ist es auch mir, und wie es dir erscheint, ein solches ist es wiederum dir.“ Die Dinge wären also so, wie sie dem Menschen erscheinen – nicht unähnlich der Erkenntnistheorie von Kant. Damit ist konsequenterweise eine übernatürliche Macht ausgeschalten. Auch für Protagoras war eine Existenz der Götter nicht selbstverständlich bzw. nicht vorstellbar, ebenso konnte deren Beschaffenheit nicht geklärt werden. Damit ist es auch unmöglich, irgendwelche göttlichen Maße oder Bewertungen göttlichen Ursprungs anzugeben. Der Mensch wird damit als Wesen dargestellt, das selbst nicht über göttliche Maßstäbe verfügt, sondern ausschließlich über menschliche. Der Gedanke einer grundsätzlichen Bescheidenheit des Menschen ist da rauszuhören, die sich aber auch zur Anmaßung hin pervertieren läßt – der Mensch selbst als Gott. Am Ende ist die Gottesvorstellung auch von diesem menschlichen Maß abhängig. Die unterschiedlichen Gottesvorstellungen, global betrachtet, zeigen das. Eine einheitliche Vorstellung vom Göttlichen ist nicht möglich.
Anna Stangl bewegt sich in ihrer Kunst in einem höchst subjektiven Kontext der eigenen Realitätswahrnehmung. Ihre kindlich unverdorben anmutenden Protagonistinnen finden sich meist verstrickt in ornatmentale Strukturen, die an vegetabile Gebilde erinnern. Das Ornament wird zum Dickicht der Bedingungen, innerhalb derer sich der Mensch bewegt, die seinen Existenzraum andeuten, jedoch nicht explizit auszuformulieren im Stande sind. Eingesponnen in eine selbstgeformte Umgebung positionieren sich die Dargestellten gleichzeitig in einem geschützten Bereich und in einer unendlich anmutenden Netzstruktur des Ornamentalen. Die Spannung zwischen Abstraktion – dem Unaussprechlichen – und Gegenständlichkeit – dem Offensichtlichen – wird hier offenkundig.
Josef Kern geht von der klassischen Portraitmalerei aus. Seine sensiblen Portraits meist von Freunden und Menschen seines subjektiven Umfelds machen ihn zunächst zu einem Vertreter einer Tradition, die weit zurück reicht und am Beginn einer Wahrnehmung und Darstellung des Menschen steht. Er verbindet die Phänomene der sichtbaren Welt in anderen Arbeiten zu phantastischen Organismen, die Organisches mit Vegetabilem vermengen – „Kopffüßler“. Grundsätzliches Wachstum liegt sowohl der pflanzlichen als auch der organischen Existenz zu Grunde. Ihre Koexistenz scheint der Künstler hier anzusprechen. Er scheint das Leben bzw. die Existenz allumfassender zu begreifen und konstruiert dabei einen sehr subjektiven Kosmos, dessen Funktionsweisen rational nicht erfassbar sind, obwohl sie aus bekannten Elementen der sichtbaren Welt konfiguriert sind.
Andreas Leikauf geht in seinen großformatigen Portraits von einer anderen Form der Realitätskonstruktion aus. Er verwebt mediale Realitätsebenen mit narrativen Strukturen. Sloganhafte Texte begleiten die Figuren und definieren sie als neue Helden des Medienzeitalters. Die Tragik und Ausgesetztheit dieser bildgewordenen Menschen äußert sich in deren Gefangenschaft im Bild – „Is that all there is?“
Martin Schnur, der gegenwärtig zu den hervorragendsten Vertretern einer figurativen Malerei in Österreich zählt, bewegt sich in seinen Bildern schon lange zwischen mehreren Realitätsebenen. Die Dargestellten wirken ähnlich wie bei Leikauf, ausgesetzt, auf sich allein zurückgeworfen und in rätselhafte Vorgänge eingebunden. Statuarisch einerseits, sich von einer Bildebene in eine andere bewegend andererseits, sind diese Menschen Bestandteile einer Bildkonstruktion, die eine Wirklichkeit anspricht, die sowohl den Medien bzw. der Kunstgeschichte verpflichtet ist, als auch einer inneren emotionalen Ebene. Schnurs Methode des Bildes im Bild ermöglicht den scheinbaren Wechsel von einer Realitätsebene in die andere. Ein Ausstieg aus der Wirklichkeit des Bildes scheint nicht mehr möglich zu sein.
Gabi Trinkaus positioniert sich am radikalsten in Bezug zur medialen Konstruktion des Körpers durch die Medien. Ihre collagierten Portraits bestehen aus bereits existierenden Bildern bzw. Bildsegmenten. Trinkaus nimmt sich diese Bilder direkt aus den Magazinen und Journalen und fügt Stück für Stück neu zusammen – zu Gesichtern, Körpern und Landschaften bzw. Stadtansichten. Der fotografisch zerstückelte Körper wird in der Collage bzw. Montage neu zusammengesetzt – er wird zum System von Variablen. Das Bauplanartige, das in der Konsequenz bis zum „Vetruvianischen Menschen“ zurückreicht, findet hier eine Folge. Der natürliche Ort der Identität ist in den Portraits von Gabi Trinkaus aufgehoben. Stattdessen ist dieser Körper rekombinierbar und bietet unterschiedliche Optionen in Bezug auf die Identität.
An Hand der hier gezeigten Beispiele wird eindrucksvoll sichtbar, wie sehr der Mensch in seiner Entwicklung auf sich selbst zurückgeworfen ist. Diese Tatsche lässt ihn ständig nach seiner eigenen Identität fragen und permanent neue Formen der Wirklichkeit und deren Bewusstmachung suchen.
(Auszug aus Text von Günther Holler-Schuster)

 

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