ECHO ECHO
Ingrid Kowarik / Dietmar Brehm
1986, im späten Sommer, wollten wir in eine tiefe Schlucht. Dadurch gelangten wir in das Gesäuse.
In den Schluchten gibt es immer Tote, da viele, beim Versuch über den Rand der Schlucht zu
schauen, fallen.
Wir saßen am Johnsbacher Friedhof, wo die zu Tode gestürzten der Gesäuseschlucht begraben
werden. Wir hatten eine Birne mit. Ingrid hatte ein paar Stifte und ich einen Skizzenblock dabei. Ich
zeichnete die gegessene Birne, die dann Ingrid verbesserte. Ich zeichnete etwas dazu, dann
wiederum Ingrid. Dadurch hatte ich eine Idee, dann wieder Ingrid, was sich oftmals wiederholte.
Die additive Möglichkeit der ersten gemeinsamen Zeichnung elektrisierte uns. (…) Da die Sonne
die Schlucht inzwischen verlassen hatte, wurde es am Friedhof immer kälter, und wir machten uns
auch die Suche nach dem Auto.
Einige Tage später zeigte mir Ingrid im Atelier ein paar Pastellzeichnungen mit der Frage, ob ich
etwas dazu malen will. Ich sagte spontan ja, obwohl ich nicht sicher war, ob ich etwas dazu malen
wollte. Ingrids Strategien sind immer sehr dichte Bildfüllungen, während ich eine sehr reduzierte
Malerei betreibe. Aber dann passierte es wie von selbst, dass ich etwas über Ingrids Zeichnungen
darüber, dazu und weg malte. Ingrid brachte die Bilder in eine endgültige Form, und wir sagten
überrascht „Stimmt!“.
Quer durch die folgenden Jahre entstanden, parallel zur eigenen Arbeit, immer wieder Serien
gemeinsamer Arbeiten, bis 1998 ausschließlich auf Papier, dann auch zusätzlich auf Leinwand.
Bedingt durch das Hinundherwandern der Bilder von Atelier zu Atelier wählten wir für die
Collaboration den Titel „Echo-Echo“. Nie können wir planmäßig vereinbaren, jetzt wollen wir
gemeinsam zeichnen und malen. Es gibt keinen Schalter, mit dem wir uns für eine Collaboration
einschalten können. Es muß wie von selbst passieren. Es funktioniert über einen kaum
verbalisierbaren Stimmungsreiz.
Besondere Herausforderungen waren die schnell zu erledigenden Deko-Malereien für die Feste „Il
Paradiso-Karibikfest“ (2000) und „Last Supper“ (2003) in der ehemaligen Neuen Galerie der Stadt
Linz, für die wir in kurzer Zeit Serien sehr großformatiger Bilder entwickeln mussten. Das waren
wichtige Impulse, um unsere Bild-Echos entscheidend weiter zu denken. Die Echos können zu
lyrischen Darstellungen werden, aber auch grobe Bilderfindungen sind möglich. Nichts ist besser,
man kann feststellen, dass sich das Potential erweitert, dass man nicht zum Wiederholungstäter
wird. Es ist eine Eigenheit, dass sich, so verschieden wir zeichnerisch und malerisch arbeiten, die
Echos zu einer gemeinsamen Thematik und Darstellungstechnik finden lassen. Pastellkreide
duelliert sich mit Filzstift und Acrylfarbe. Besonders aufregend waren für uns die 2006, auf Papier
im Format 50.40cm, entstandenen Kopfbildechos. Wichtig für meine Arbeit ist die Vielfarbigkeit von
Ingrids Vorgaben, eine lieb gewordene Inspirationsquelle. Für Ingrid sind sicher meine
Konzeptionen der sparsamen Flächigkeitsdarstellung aufschlussreich.
Die Zentralmotive sind Kopf- und Körperdarstellungen, Tiermotive, Florales- und immer wieder
gelingen erfundene Berge und Landschaften zur Erscheinung. Natürlich wurden die Collaborations
manchmal ein gnadenloses Duell mit beträchtlichem Streitpotential.
Nie arbeiten wir gleichzeitig an einem Bild, das würde nur ein Gefuchtel werden. Unsere
Vorgangsweise ist so, dass einer beginnt, dann folgt das weitere vom anderen. Das kann ein Motiv
sein, dass die Vorgabe verdeutlicht, verschleiert, einkreist, relativiert (…). Oder wir nehmen das
vorgegebene Motiv auf und verdoppeln es assoziierend zu einem Bildmix..
Viele Echos funktionieren auf einen Hieb, dann gibt es Echos, die erst nach vielen Etappen eine
Erlösung finden. Hundertmal müssen Zustände korrigiert werden, um den Punkt der
Unverrückbarkeit zu finden, die wirkliche Bildschärfe, die uns überrascht. Wenn eine Collaboration
gelingt, ist sie rätselhaft wie der Unerklärlichkeitsbereich rundum. Es entstehen Bilder, die Ingrid
nie so für sich und ich nie für mich malen könnte.
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